Protest gegen deutsches Unternehmen: Zement von jenseits der Grünen Linie
Aktivist*innen blockieren einen Steinbruch des Konzerns HeidelbergCement in Palästina. Besatzung und Umweltzerstörung hängen für sie zusammen.
Rund 30 Aktivist*innen, einige von ihnen aneinandergekettet, haben am Sonntag den Zugang zum Steinbruch von HeidelbergCement, einem deutschen Unternehmen, in den palästinensischen Gebieten blockiert. „Stoppt die Zerstörung“, steht in weißen Lettern auf Arabisch, Englisch und Hebräisch auf einem schwarzen Transparent, das zwei Aktivist*innen an Holzstöcken in die Höhe halten.
Empfohlener externer Inhalt
Die Aktivist*innen sehen in den Aktivitäten von HeidelbergCement und ihrer Tochterfirma Hanson gleich zwei Probleme: ein völkerrechtliches und ein ökologisches. „Der Steinbruch befindet sich in unmittelbarer Nähe zur israelischen Stadt Rosh HaAin“, sagt die 26-jährige Maya Rosen, die an der Aktion beteiligt war, „allerdings jenseits der sogenannten Grünen Linie und damit in den besetzten Gebieten.“
Das Baumaterial des Zementriesen, des zweitgrößten weltweit, geht laut Human Rights Watch in israelische Siedlungen und in israelisches Kernland. Die Ausbeutung von Ressourcen aus besetztem Land verstößt gegen internationales Recht. Auch zahle Hanson jedes Jahr Millionen US-Dollar Steuern an den Regionalrat von Samaria und die israelische Zivilverwaltung und trage so zur Nachhaltigkeit der israelischen Siedlungen bei.
Sorgen um die Zugvögel
Nun plant das Unternehmen einen Ausbau des Steinbruchs, als Teil eines größeren israelischen Bebauungsplans. Ein großes Industriegebiet sowie ein israelischer Friedhof sollen in unmittelbarer Nähe zum bereits bestehenden Steinbruch und ebenfalls jenseits der Grünen Linie gebaut werden.
Wohl nicht zufällig heißt der Plan „Samaria's Gate“ (Samaria-Tor), benannt nach der biblischen Stadt Samaria, die im heutigen Westjordanland liegt. Der Bau würde einen durchgehenden Weg von der israelischen Stadt Rosh HaAin hin zur Siedlung Elkana im Westjordanland schaffen, und so den Zuzug von jüdischen Israelis in die besetzten Gebieten erleichtern.
„Wir fordern die sofortige Schließung des Hanson-Steinbruchs in Nahal Raba und die vollständige ökologische Wiederherstellung des Gebiets“, sagt Rosen und verweist damit auf das zweite Problem: Der Bau würde den ökologischen Korridor von Nord nach Süd zerschneiden, ein Desaster für Zugvögel, die entlang dieser Route reisen. Auch Tieren wie Hirschen, Kojoten, Stachelschweinen und Raubvögeln würde ihr Lebensraum genommen.
Aktiv auch in der Westsahara
Für die Aktivistin hängen der Kampf für die Umwelt und gegen die Besatzung zusammen: „Einige von uns kommen aus der Antibesatzungsbewegung, andere aus Zusammenhängen für Klimagerechtigkeit“, erklärt Rosen. „Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir der Überzeugung sind, dass Umweltzerstörung und Klimawandel einige Menschen härter trifft als andere. Die israelische Regierung mit ihrer explizit rassistischen Politik trägt dazu bei.“
Der deutsche Betonriese HeidelbergCement ist schon öfter in die Schlagzeilen geraten, nicht nur in Bezug auf den Nahen Osten. Verschiedenen Medienberichten zufolge, die sich auf eine Studie des Frankfurter Klimaberatungsunternehmens Right Based on Science beziehen, ist der Zementproduzent gleich nach RWE das klimaschädlichste DAX-Unternehmen. In die Berechnungen wurde einbezogen, dass die Herstellung von Zement besonders energieintensiv ist.
Das Business & Human Rights Resource Center berichtet zudem von Beschwerden wegen Verstößen gegen die Menschenrechte in Indonesien. Und auch in der von Marokko in weiten Teile besetzten Westsahara soll das Unternehmen laut jüngsten Medienberichten über eine Tochterfirma in umstrittene Geschäfte verwickelt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen