Protest gegen Wahlrechtsreform: Tag der Gewalt in Kinshasa
Die Unruhen wegen der Wahlrechtsreform weiten sich in der Hauptstadt des Kongo aus. Oppositionelle werden verhaftet. Die Opferzahlen sind umstritten.
BERLIN taz | Nach den gewaltsamen Protesten gegen eine Wahlrechtsreform in der Demokratischen Republik Kongo am Montag hat sich die Lage am Dienstag weiter verschärft. Erneut gingen in der Hauptstadt Kinshasa zahlreiche jugendliche Demonstranten auf die Straße und wurden von den Sicherheitskräften mit Schüssen auseinandergetrieben. Augenzeugen berichteten von Unruhen mit Toten in mehreren Stadtteilen, darunter mindestens zwei Polizisten.
Die mehrspurig ausgebaute Hauptstraße aus dem Stadtzentrum Richtung Flughafen, die an einigen der unruhigsten Slumviertel der Zehn-Millionen-Metropole vorbeiführt, war unpassierbar, weil sich Trauerzüge mit getöteten Demonstranten formierten. Der Kinshasa-Flug von „Air France“ machte am frühen Nachmittag auf halbem Weg kehrt und flog nach Paris zurück.
Verlässliche Informationen gab es kaum, da die Regierung in der Nacht zum Dienstag das mobile Internet und den SMS-Verkehr lahmgelegt hatte. Gegenüber dem französischen Rundfunksender RFI bestätigten die sechs in der Demokratischen Republik Kongo tätigen Telefongesellschaften, sie seien von der Regierung angewiesen worden, ab Mitternacht diese Dienste für alle ihre Kunden auf unbestimmte Zeit abzuschalten.
Nach Berichten oppositioneller Kongolesen, denen auf anderen Wegen eine Kommunikation mit der Außenwelt gelang, wurde am frühen Dienstagmorgen der prominente Oppositionspolitiker Jean-Claude Muyambo aus der Südprovinz Katanga in seinem Haus in Kinshasa festgenommen, angeblich auch der derzeit aktivste Oppositionsführer Vital Kamerhe sowie andere Oppositionelle. Im Gegenzug griffen Demonstranten im Laufe des Tages öffentliche Gebäude in Kinshasa an. Es kam zu Plünderungen.
Hintergrund der Unruhen ist, dass das Parlament am vergangenen Samstag auf Antrag der Regierung das Wahlgesetz änderte und unter anderem eine Volkszählung vor den nächsten Wahlen Ende 2016 beschloss. Die Opposition geht davon aus, dass damit die Wahlen um mehrere Jahre verschoben werden müssen, weil eine Volkszählung im riesigen Kongo sehr lange dauert. Das geänderte Wahlgesetz ging am Dienstag ins Oberhaus des Parlaments, den Senat, und stieß dort offensichtlich auf mehr Widerstand.
Die Proteste am Montag hatten nach Regierungsangaben vier Tote gefordert, darunter zwei Polizisten. Die Opposition sprach von 14 bis 20 Toten und warf der Regierung vor, Leichen zu verstecken. Journalisten wurden daran gehindert, Leichenhallen aufzusuchen, um die Angaben zu verifizieren.
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