Protest gegen Giftlaster: Gefährliche Wässer
Der Energiekonzern Exxon-Mobil will mit Chemikalien belastetes Lagerstättenwasser aus unterschiedlichen Sonden in Walsrode verpressen.
Walsrode hat keinen Bock auf Exxons Tanklaster: Eine Sondergenehmigung für die 35 Großlaster pro Woche, die auf dem Weg zur Versenkbohrung H1 durch die Ortschaften Schneeheide und Fulde donnern würden, will die parteilose Bürgermeisterin Helma Spöring nicht ohne weiteres erteilen. Das hat sie angekündigt.
„Es müssen Wirtschaftswege genutzt werden, die für LKW baulich nicht ertüchtigt sind“, erläutert sie der taz.nord. „Es besteht somit keine Erschließung zu der Versenkbohrung Walsrode H1 in Fulde“. Falls das Landesamt für Bergbau Energie und Geologie (LBEG) allerdings den Antrag genehmige und Exxon die Straßen ertüchtige, habe die Stadt rechtlich wenig Möglichkeiten die Zufahrt zu verweigern.
Exxon will an H1 Wasser verpressen, Lagerstättenwasser. So wie bisher schon. Nur, laut einem am 2. Juni beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie eingereichten Nachtragsantrag 60.000 statt 24.000 Kubikmeter. Der Clusterplatz H1 solle ,, die Abwässer „auch aus anderen Produktionssonden“ aufnehmen, sagt Unternehmenssprecher Klaus Torp.
Die Genehmigung für die nötige Tankkraftwagen-Verladung habe man schon, versichert Torp. Die bergbaurechtlichen Fragen befinden sich nach Auskunft des LBEG in der Prüfung. Sie habe gegenüber der zuständigen Behörde „erhebliche Bedenken angemeldet“, sagt Bürgermeisterin Spöring, „und gefordert, den Antrag nicht zu genehmigen“. Das Vorhaben müsse gestoppt werden, fordert auch die äußerst umtriebige Bürger-Ini Uelzen.
Ein Erdbeben mit der Lokalmagnitude von 3,1 hat sich am 19. Dezember in Emstek ereignet.
Der am Dienstag vorgestellte Untersuchungsbericht des niedersächsischen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie kommt zu dem Schluss, dass die Erdgasförderung in Goldenstedt/Visbek verantwortlich für das Beben ist: Dort habe das Epizentrum gelegen, und aus der Zeit vor Aufnahme der Erdgasförderung seien „keine Erdbeben in dieser Region bekannt“.
Als Ursache auszuschließen hingegen: Fracking. Das habe es im betroffenen Gebiet „im Zeitraum von etwa vier Jahren vor dem Erdbeben“ nicht gegeben.
Auch Lagerstättenwasserentsorgung scheidet in Emstek als Ursache aus: Es wird „im Erdgasfeld Goldenstedt/Visbek nicht versenkt“, sagt das Landesamt.
Lagerstättenwasser tritt bei der Erdölgewinnung zu Tage. Eine wasserrechtliche Definition fehlt noch. Und doch ist es ein besonderer Saft. Laut Bundesanstalt für Risikobewertung (BFR) steht fest, dass er hochmineralisiert und mit natürlichen radioaktiven Materialien versetzt ist, zudem mit Kohlenwasserstoffen und, je nach Verfahren auch noch Frackfluid.
Mehr aber weiß man nicht: „Lückenhafte Kenntnis der Beschaffenheit“ resümiert das BFR. „Kein Stand der Technik für Behandlung und Entsorgung definiert“. Lagerstättenwasser zu analysieren – darauf war lange keiner gekommen. Einerseits: Weil Analysen teuer sind. Andererseits, weil es lange hieß, dass der Flowback ja in Schichten, in denen die in ihm enthaltenen Umweltgifte natürlich vorkommen, weit, weit unterhalb des Grundwassers verbracht werde – und es gar nicht verunreinigen könnten.
So erwähnt auch die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergbau das Lagerstättenwasser mit keiner Silbe. Künftig wird sich das laut Landesumweltministerium ändern, aber „die Regelung dafür ist noch im Gesetzgebungsverfahren“.
Möglich, dass Exxon genau deshalb jetzt seinen Antrag stellt: Bei der aktuellen Gesetzeslage hat der Konzern vermutlich einen Anspruch darauf, sein Bohrloch stärker als zuvor zu beanspruchen. Der Konzern freilich stellt das Vorhaben als Teil eines Ausstiegsszenarios dar: Man wolle die als bedenklich eingestufte Verpressung in Kalkarenit überwinden. Künftig werde Lagerstättenwasser nur in Gesteinsformationen versenkt, die ursprünglich auch Gas oder Erdöl enthielten.
Klingt widersprüchlich: Denn H1 ist ein Kalkstein-Bohrloch. Doch wäre dessen Zusatzlast nur „zeitlich begrenzt“, kontert Exxon-Sprecher Torp. Ziel bleibe es, bis zum Jahr 2020 sämtliche Kalkarenit-Bohrungen zu verfüllen, „auch diese Bohrung“.
Keine Rolle spielt nach Einschätzung des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Energie, dass Wasserverpressungen seismische Aktivitäten auslösen können: In der Region Walsrode haben die Behörden in der Vergangenheit zwar neun schwache Erdbeben registriert – fast alle unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Diese Ereignisse seien jedoch wahrscheinlich durch die Erdgasförderung verursacht: Angesichts der Herdtiefe – also dem genauen Ort der Erschütterung sei „ein Zusammenhang mit der Versenkung von Lagerstättenwasser eher unwahrscheinlich“, lautet die Auskunft.
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