piwik no script img

Protest gegen GentrifizierungDrogenhelferin unter Druck

Eine Betriebsrätin bekommt von ihrem Vermieter für ihren Arbeitsplatz im Hamburger Schanzenviertel Hausverbot.

Kann Folgen haben: Protest gegen Rausschmiss und Neuvermietung des Schanzenhofs Ende März. Foto: Joto

Hamburg taz | Der Streit um eine Immobilie im Hamburger Schanzenviertel dreht sich eine Umdrehung weiter – und eine besonders kuriose: Die Eigentümer des „Schanzenhofs“ haben der Betriebsratsvorsitzenden der derzeit noch dort ansässigen Drogenhilfeeinrichtung „Palette“, Ulrike Winkelmann, Hausverbot erteilt. „So etwas geht gar nicht“, sagt dazu die einschlägig erfahrene Rechtsanwältin Mechthild Garweg: Das sei „ nach Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz ein Angriff auf ein Betriebsverfassungsorgan, sofern der Arbeitgeber nicht unverzüglich dafür sorgt, dass die Betriebsrätin Zutrittsrecht zum Betrieb bekommt“.

Gekauft, um teurer zu vermieten

2013 hatten die Brüder Maximilian und Moritz Schommartz die ehemalige Montblanc-Fabrik gekauft. Zum 1. April dieses Jahres dann kündigten sie neben der „Palette“ auch den Mietern in der „Kulturetage“ sowie – nach 25 Jahren – dem alternativen Hotel und Bio-Restaurant „Schanzenstern“. Die neuen Mieter sollen statt 8,50 Euro nun 14 Euro pro Quadratmeter zahlen. Beides hatte teils massive Proteste ausgelöst. Nach dem Auszug des Schanzensterns bekamen dessen Mitarbeiter sämtlich ein Hausverbot auf Lebenszeit für den Gebäudekomplex.

Die Palette suchte neue Räume und wurde sogar im Viertel fündig; das neue Domizil ist aber noch nicht bezugsfertig. Deshalb gewährten die Gebrüder Schommartz der Drogenhilfe eine Mietvertragsverlängerung: Sie dürfe solange im Schanzenhof bleiben, bis sie in die neuen Räume kann.

Das Hausverbot erhielt Winkelmann per Fax. Statt aber beispielsweise dagegen zu protestieren, forderte die Palette-Geschäftsführung vielmehr Winkelmann auf, ihre Schlüssel abzugeben; nach 20 Jahren Tätigkeit in der Drogenhilfeeinrichtung wies man ihr eine andere Aufgabe zu, in einem Kinderprojekt des Trägervereins.

„Es ist eine schwierige Situation“, sagt die Palette-Geschäftsführerin Anke Mohnert: „Wir müssen die Räume unbedingt behalten“. Denn der Gewerbemietvertrag habe eine monatliche Kündigungsfrist, und Schommartz könne die Einrichtung mit zuletzt 600 Klienten kurzfristig auf die Straße setzen. Freilich: „Wenn dieses Hausverbot rechtlich nicht haltbar ist“, sagt Mohnert, „ist die Sache für uns vom Tisch.“

Anwältin Garweg weist darauf hin, dass sich auch ein Vermieter wegen des Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz strafbar machen kann: Wenn er Betriebsräten den Zutritt zum Betrieb verweigert. Schommartz verteidigte auf taz-Anfrage sein Vorgehen: Winkelmann sei von der Polizei beim „Begehen einer Sachbeschädigung am Gebäude aufgegriffen“ worden.

So etwas ist ein Angriff auf ein Betriebsverfassungsorgan

Mechthild Garweg, Anwältin

Anhaltender Protest

Gentrifizierungs-Gegner und andere Interessierte setzen sich derweil weiter für den Schanzenhof ein, der vor 25 Jahren einmal ein Vorzeigeprojekt für sozialdemokratische alternative Stadtentwicklung war. So ist für den kommenden Samstag erneut ein Nachbarschaftsfest angesetzt, um den Schanzenhof „nach unseren Vorstellungen zu verschönern“, heißt es.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • was in der sogenannten Gentrifizierungsdebatte immer zu kurz kommt ist die Frage: wo sind all die türkischen u afghanischen MitbürgerInnen geblieben, die in den einst so zahlreichen Gemüseläden ihren täglichen Einkauf gemacht und ihre sozialen Kontakte gepflegt haben? Wer wohnt jetzt in deren Wohnungen? Wer also sind die eigentlichen Gentrifizierer, die jetzt "haltet den Dieb" rufen?!!

  • Offensichtlich schräge Typen, diese Schommartz'.

    Hamburger Sozis eben.....