Protest der Mieter: "Die Politik traut sich nicht ran"
Seit Juli hat die Initiative "Kotti und Co" ihre Zelte vor dem Kottbusser Tor aufgeschlagen. Am Samstag ruft sie zur Demo auf. Ein Interview aus der neuen taz.berlin-Wochenendausgabe.
taz: Wie erfolgreich ist der Mieterprotest am Kottbusser Tor?
Ulrike Hamann: Unsere Initiative gibt es jetzt seit anderthalb Jahren, seit Juli stehen unsere Zelte am Kottbusser Tor. Ich hätte nicht erwartet, dass wir so lange durchhalten. Das geht nur, wenn sich auch was bewegt.
Sandy Kaltenborn: Mit dem Protest hat sich auch die Nachbarschaft solidarisiert. Mieter aus verschiedenen Schichten tauschen sich aus.
Noch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus hat Ihre Initiative einen Forderungskatalog zum Thema Mieten im Roten Rathaus vorgelegt. Hat die Politik das Thema erkannt?
Kaltenborn: Mittlerweile ist das Thema Mieten ein großes Thema, auch für die Politik. Aber an das Problem der rasant steigenden Sozialmieten hat sich der Senat bislang nicht rangetraut.
Am kommenden Dienstag organisiert ihre Initiative eine Konferenz zum sozialen Wohnungsbau – und zwar im Abgeordnetenhaus. Ist das Nachhilfe für die Politik?
Hamann: Der soziale Wohnungsbau ist ein schwieriges Thema. Das kann man nicht nachhaltig lösen, ohne Geld in die Hand zu nehmen. Auch die Grünen in der Opposition tun sich da schwer.
Kaltenborn: Wir stellen auch Modelle vor, wie man den sozialen Wohnungsbau rekommunalisieren kann.
Ulrike Hamann und Sandy Kaltenborn, 37 und 43, sind Mieterinnen am südlichen Kottbusser Tor und Mitbegründerinnen der 2011 entstandenen Initiative "Kotti und Co".
Seit anderthalb Jahren wehren sie sich gegen steigende Mieten, seit Juli protestieren sie mit Zelten vor dem Kottbusser Tor: Die Mieterinitiative "Kotti und Co" will verhindern, dass die Politik die steigenden Mieten im sozialen Wohnungsbau ignoriert. Betroffen sind 28.000 Wohnungen, für die die Anschlussförderung durch den Senat beendet wurde. Für diese Wohnungen gilt der Mietspiegel nicht; die Mieten sind teilweise deutlich höher als entsprechende Wohnungen im Mietspiegel. Auf einer bundesweiten Demonstration am Samstag protestiert das Bündnis auch in Berlin gegen steigende Mieten. Demobeginn am Kottbusser Tor ist um 16 Uhr.
Die Konferenz zum sozialen Wohnungsbau im Abgeordnetenhaus beginnt am Dienstag um 9.30 Uhr. Eine Broschüre dazu steht zusammen mit dem Programm im Internet. (taz)
Eigentlich Aufgabe der Politik.
Kaltenborn: Es sollte nicht der Job von uns Mietern sein, Senatspolitik zu machen. Aber wenn es der Senat nicht macht?
Macht er es auch deshalb nicht, weil in den Verwaltungen noch immer die sitzen, die damals dafür verantwortlich waren, dass die Fördermillionen in die Taschen der Investoren gingen?
Kaltenborn: Man merkt, dass die Verwaltung neuen Ideen gegenüber sehr viel weniger aufgeschlossen ist als die Politik.
Dieser Text ist Teil der neuen taz.berlin-Wochenendausgabe. Sie erscheint zum zweiten Mal am 10. November und bietet auf zwölf Seiten Recherche, Interviews, Meinung, Kolumnen und viel Kultur.
Zudem im neuen, zwölfseitigen Wochenendteil der taz.berlin unter anderem:
- Interview mit der Singer-Songwriterin Kat Frankie
- Eine Kritik der neuen Gob Squat-Inszenierung an der Volksbühne
- Ein vierteiliger Rückblick auf die Woche
- Drei Seiten zur neuen Start-up-Gründerzeit in Berlin
Ihre Forderungen gehen in Richtung Rekommunalisierung. Kann sich das Berlin überhaupt leisten?
Hamann: Die Frage ist doch eher, ob es sich das Land Berlin leisten kann, nichts zu machen. Die sozialen Folgekosten sind vielleicht noch viel höher. Auch das wollen wir auf der Konferenz mit der Politik besprechen.
Hamburg und Köln haben neue Förderprogramme für Sozialwohnungen.
Kaltenborn: Die muss es auch in Berlin geben. Deshalb ist es so wichtig, dass das Problem des alten sozialen Wohnungsbaus endlich gelöst wird. Sonst wird das immer damit in Verbindung gebracht.
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