Protest bei Neonazi-Demo in Schweden: Eine Frau gegen 300 Rassisten
Tess Asplund stellte sich im schwedischen Borlänge mit erhobener Faust einer Neonazi-Demo in den Weg. Ein Bild davon geht nun um die Welt.
Es zeigt eine Asplund, die gerade vom Bürgersteig auf die Straße getreten ist und nun mit erhobener Faust mitten vor einer Truppe von rund 300 uniformierten Anhängern von Schwedens derzeit gewaltsamster Neonazigruppe steht, die „Volksverräter“ skandierend auf sie zukommen. Deren Anführer starrt sie verdattert an, bevor ein Ordner sie wegschubst und ein Polizist sie zur Seite nimmt. Der Fotograf David Lagerlöf hält die Szene fest.
Der Vorfall geschah bereits am 1. Mai in Borlänge in der schwedischen Provinz Dalarna. Ausgerechnet in dieser traditionellen Arbeiterstadt hatte die „Nordische Widerstandsbewegung“ ihre zentrale Kundgebung abgehalten. Eine Provokation, gegen die auch eine Gegendemonstration organisiert worden war. Die Kirchenglocken läuteten aus Protest, und Antirassisten verteilten eine Fuhre Stallmist auf dem Sammelplatz der Neonazis, „damit die in der Scheiße stehen“.
„Ich fand, das reichte alles nicht“, begründet Tess Asplund ihre Aktion: „Als ich sie ankommen sah, dachte ich: Die haben hier absolut nichts verloren.“ Einem Impuls sei sie gefolgt: „Ich bin eine friedliche Person, mit meinen 163 Zentimetern und 50 Kilo ja auch nicht gerade imposant, aber ich wollte zeigen, dass man etwas wagen muss.“
Hoffnung auf mehr Widerstand
Asplund ist Sprecherin des antirassistischen Netzwerks „Fokus afrofobi“, arbeitet in der freiwilligen Flüchtlingshilfe, beteiligte sich wiederholt an Aktionen, mit denen versucht wurde, Abschiebungen Asylsuchender zu verhindern. Politisch aktiv sei sie, seit sie als 16-Jährige aus der mittelschwedischen Provinz nach Stockholm kam, erzählt Asplund: „Das erste waren Schlägereien mit Skins.“
Seit 26 Jahren engagiere sie sich jetzt gegen Rassismus: „Die jetzige Aufmerksamkeit macht mich stolz, aber geniert mich auch. Ich hoffe, dass nun mehr Widerstand wagen. Es geht einfach nicht an, wie derzeit Faschisten auf unseren Straßen herumspringen dürfen.“ Ein Symbol will sie dennoch nicht sein. „Nein, das sollen die Leute nicht in mir sehen.“
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