Prostitution in Spanien: Nicht legal, nicht illegal
Die Landstraßen sind voller Clubs und noch die kleinsten Dörfer nennen ein Bordell ihr eigen. Selbst die ökonomische Krise kann der Prostitution in Spanien nichts anhaben.
MADRID taz | Die Spekulationsblase ist geplatzt. Spanien steckt in der Krise, der Konsum bricht ein. Der gesamte Konsum? Nein. Eine Branche floriert auch weiterhin: Die Prostitution.
39 Prozent der Spanier frönen dem käuflichen Sex. Spanien liegt damit an der Spitze Europas. Die größte Konsumentengruppe sind Männer zwischen 35 und 55 Jahre, das zeigt eine Studie der Hilfsorganisation für Prostituierte APRAM in Madrid.
"Ir de putas" - "Zu den Nutten gehen" - ist in Spanien längst nicht so moralisch verwerflich wie sonst in Europa. Bereitwillig stehen Freier in Fernsehdokumentationen Rede und Antwort. Der sozialdemokratische Landesvater des nordspanischen Kantabrien kann ungestraft in einem Interview erklären, dass er seine ersten Erfahrungen, natürlich unter väterlicher Anleitung, im Puff sammelte.
Zwischen 300.000 und 500.000 Frauen bieten in Spanien schätzungsweise ihre sexuellen Dienste spanischen Männern an. Meist kommen sie aus Lateinamerika und Osteuropa. So manche derer, die in aller Öffentlichkeit um Freier werben, dürften kaum älter als 16 sein. 50 Millionen Euro Umsatz erbringt das Geschäft mit dem käuflichen Sex täglich, so eine andere Studie.
Die Stadtverwaltung stellt sich taub
Prostitution ist in Spanien weder legal, noch ist sie illegal. Im Gesetz kommt sie ganz einfach nicht vor. Das macht die Angelegenheit für die Frauen einfach und schwer zugleich. Sie werden überall geduldet. Ob in der Innenstadt von Madrid, im Stadtwald oder in den Industriegebieten - sie bieten offen ihre Dienste an. Pensionen und Hostels haben sich darauf spezialisiert, ihnen Zimmer im Viertelstundentakt zu vermieten. Die Landstraßen sind voller Clubs mit bunten Leuchtreklamen. Selbst die kleinsten Dörfer nennen ein Bordell ihr eigen.
Doch vor allem die Prostituierten auf den Straßenstrichs beschweren sich zunehmend über ihre nicht geregelte Situation. Sie werden leicht zum Opfer von Gewalt durch Freier und der Willkür der Ordnungskräfte. In Madrid demonstrierten Anfang November hunderte von Frauen. Sie verlangten einen Rotlichtdistrikt, in dem sie arbeiten können.
Die Stadtverwaltung stellt sich taub. Eine Lobby haben die Frauen nicht. Die Parteien ignorieren das Gewerbe ganz einfach. Und die Presse lebt von der Situation. Denn die großen Tageszeitungen des Landes - auch die konservativen und katholischen - verdienen einen nicht unerheblichen Teil der Werbeeinnahmen mit mehreren Seiten voller Kleinanzeigen von Bordellen und Prostituierten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“