Prost Neujahr!: Der sture Büffel kommt
Für Zuwanderer aus Fernost beginnt heute das neue Jahr. Sein Symbol ist der Büffel. Er steht für arbeitsreiche und wirtschaftlich schwere Zeiten.
Vietnamesen mit schweren Einkaufstüten drängen sich am Samstag in der Lichtenberger Herzbergstraße in die Straßenbahn. Sie kommen vom Dong-Xuan-Markt, dem größten Asiamarkt in Deutschland, und sie haben fürs Fest eingekauft: Klebreiskuchen, Süßigkeiten aus Kokos sowie Reisschnaps gehören in diesen Tagen auf jeden Tisch einer vietnamesischen Familie, Hühner werden auf dem Ahnenaltar als Opfer dargeboten. Am heutigen Montag beginnt für 12.000 Vietnamesen und 6.000 Chinesen in Berlin sowie für Zuwanderer aus Taiwan, Korea und weiteren fernöstlichen Staaten das neue Jahr nach dem traditionellen Mondkalender, symbolisiert durch den Büffel. Gefeiert wird insgesamt vier Tage lang. Das Fest ist etwa so wichtig, als würden für Westler Geburtstag, Weihnachten und Silvester auf einen Tag fallen.
Manch ein Chinarestaurant, ein vietnamesisches Nagelstudio oder ein Wochenmarktstand für Textilien bleibt geschlossen, weil sich die Betreiber eine Auszeit gönnen. Für die arbeitsamen vietnamesischen Händler sind das oft die einzigen freien Tage im Jahr. Denn die wirtschaftliche Situation kleiner vietnamesischer Ladenbesitzer ist häufig so schwierig, dass Urlaub Luxus wäre. Längere Auszeiten finden meist nur jedes dritte oder vierte Jahr statt, wenn die Familie gemeinsam nach Vietnam reist.
Vor den Feiertagen war im Dong Xuan-Markt Hochbetrieb. Nicht nur die Läden für asiatische Lebensmittel meldeten Rekordumsätze. Auch die Friseure zählten deutlich mehr Kunden als sonst: Vor den Feiertagen wollten sich Vietnamesen und Chinesen noch einmal richtig schön machen. Denn niemand Geringeres als die toten Ahnen sind an diesen Tagen in den Familien zu Gast, angelockt durch Räucherstäbchen und Gaben auf den Altaren. Den toten Vorfahren will man sich von der besten Seite zeigen. Sie sollen richtig stolz sein auf ihre Nachkommen in Deutschland. Selbst die Schulhefte der Kinder werden schon mal stolz präsentiert.
Das Tet-Fest - so heißt die Neujahrsfeier - wird vor allem im Kreis der Familie begangen. Vietnamesische und chinesische Eltern wollen damit auch ihre in Deutschland aufgewachsenen Kinder mit traditionellen Bräuchen und ihren Verwandten bekannt machen. Denn gerade hier geborene Kinder kennen oft die Urgroßeltern und Großeltern in Vietnam kaum noch.
Sind die eigentlichen Feiertage vorbei, dann laden vietnamesische Vereine zu gemeinsamen Tet-Festen ein. Dort können auch Deutsche fernöstliche Kultur erleben. Zum Beispiel Mitte Februar mit dem Club Dialog in Oberschöneweide. Das Fest mit Drachentanz, traditioneller fernöstlicher Musik, Kindergesang und Ritualen, die die bösen Geister verbannen sollen, wird gemeinsam mit dem Bezirksamt Treptow-Köpenick veranstaltet. Wie jedes Jahr hält Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD) die Eröffnungsrede. In den östlichen Bezirken sind Vietnamesen nach den russlanddeutschen Spätaussiedlern die zweitgrößte Zuwanderergruppe.
Der Mythologie zufolge zeichnen sich Kinder, die in Büffeljahren geboren wurden, durch Verlässlichkeit, Ausdauer, Realitätssinn und Bildung, aber auch durch Sturheit, Misstrauen, Eifersucht und Hochmut aus. Ein Büffeljahr gilt als arbeitsreich und wirtschaftlich schwierig - darin stimmt das fernöstliche Horoskop für 2009 mit den Wirtschaftsweisen überein. Es gilt aber auch als arm an Naturkatastrophen. Und: Mit dem sturen Büffel sollen der Mythologie zufolge Konservative an Boden gewinnen. Und ob das ein Omen ist für die im Juni und September anstehenden Europa- und Bundestagswahlen?
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