Prominenter Drehort soll verschwinden: Soul-Kitchen-Halle droht Abriss
Der Drehort des gleichnamigen Films in Hamburg hat keine Zukunft mehr. Initiative kritisiert, dass der Senat die Offkultur ausbremst.
Das Areal, auf dem die Halle steht, grenzt an einen Offkultur-Schwerpunkt. Nördlich davon liegt das traditionsreiche Stadtteilkulturzentrum Honigfabrik, auf der gegenüberliegenden Seite des angrenzenden Veringkanals das erst gut zehn Jahre alte Kreativzentrum Zinnwerke. Dazu kommen kleine Gastronomiebetriebe und Ateliers.
Der Senat will den zum Teil schon recht malerischen Kanal mit einer Grünverbindung am Ufer, Schilfzonen und schwimmenden Inseln aufwerten. Er „begrüßt“ die Entwicklung der Zinnwerke zu einem Kreativquartier, lässt aber offen, wie die ehemalige Fabrik saniert werden soll. Weitere Grundstücke am Kanal will die städtische Immobilienfirma Sprinkenhof jedoch räumen, einschließlich des Soul-Kitchen-Grundstücks.
Die Initiative Kulturkanal kritisiert, dass die Soul-Kitchen-Halle noch hätte gerettet werden können, als sie „2013 mitten in einem funktionierenden Kulturbetrieb geschlossen wurde“. Doch der Senat habe sich für „eine andere Variante entschieden: so lange absperren, verfallen lassen und Initiativen ignorieren, bis man sagen kann: muss abgerissen werden“.
Umgang „sensibel gehandhabt“
Norbert Hackbusch, Bürgerschaftsabgeordneter der Linken, ätzt: „Und wieder fügt der Senat dem Buch 'Abrissstadt Hamburg’ ein Kapitel hinzu.“ Gegenüber vielen Kulturaktivisten sei das ein Affront und für die Kulturpolitik ein Armutszeugnis.
Der Senat konzediert der Halle zwar einen „symbolischen Stellenwert“ durch den Film, weshalb der Umgang damit „sensibel gehandhabt“ worden sei. Einem Gutachten vom Juli 2022 zufolge sei jedoch das Dach zum Teil eingestürzt – was auch zu sehen ist – das Eisenfachwerk sei zum Teil komplett durchgerostet und das Tragwerk nur noch zu 25 bis 30 Prozent belastbar. Für die planmäßig vorgesehene Nutzung des Grundstücks als Industriefläche sei sie ein Hindernis.
Im Rahmen des „sensiblen Umgangs“ hatte der Senat sogar einst erwogen, die Halle zu versetzen, was aber 1,6 Millionen Euro gekostet hätte. Die Idee, einen Teil des Fachwerks aus- und in einen Neubau einzubauen, sei mangels eines geeigneten Projekts nicht weiterverfolgt worden. Zudem sei die Uferbefestigung des Kanals stark beschädigt, im Untergrund lägen möglicherweise Weltkriegsbomben und die Erde sei mit Schwermetallen und Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) vergiftet.
Stadt plant „plangerechte Vermarktung“
Die Initiative Kulturkanal begrüßt, dass der Senat die Zinnwerke als kulturellen Ort benennt. „Aber den vielfältigen kulturellen Beat, der hier in Wilhelmsburg pocht, aus der Ferne in diesen einen Raum zu denken, wird nicht funktionieren“, warnt die Initiative. Bis zur Einzäunung 2022 habe der Kulturkanal die Fläche regelmäßig inoffiziell – aber geduldet – für Veranstaltungen genutzt. So etwas weiter zu erlauben, sei allein eine Frage des politischen Willens.
Der Senat will die Fläche „einer plangerechten Vermarktung als Industriegrundstück“ zuführen, wobei er selbst auf die erwartbar teure Sanierung des Grundstücks hinweist. Die Initiative Kulturkanal fordert, den Zaun zu öffnen und notfalls einzelne Gefahrstellen abzusperren. Um der Forderung nach mehr Raum für Kultur, Kreativität und Leben im dicht besiedelten Quartier Nachdruck zu verleihen, soll es am Freitag eine Kundgebung geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen