Prominente Unterstützung für Evangelikale: Mit Plastik-Embryonen gegen Werteverfall
Im CCH findet der "Kongress christlicher Führungskräfte" statt. Innenminister Thomas de Maizière und Bürgermeister Olaf Scholz waren dabei.
HAMBURG taz | Großer Applaus für Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Congress Centrum Hamburg. Auf dem „Kongress christlicher Führungskräfte“, dessen Schirmherr Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist, macht der CDU-Politiker am Freitag überdeutlich, wie bedeutend das „C“ für ihn ist.
„Meine politische Überzeugung und mein Handeln sind vom christlichen Menschenbild geleitet“, sagt er auf der Bühne, an deren Hintergrund das Kongressmotto hängt: „Mit Werten in Führung gehen.“
Von Donnerstag bis Samstag würden an die 3.200 Besucher erwartet, sagt Matthias Pankau, Pressesprecher des Kongresses, der vor allem von der Evangelischen Nachrichtenagentur „Idea e. V.“ ausgerichtet wird. Seit 1970 berichtet der Verein mit Sitz in Wetzlar überwiegend über die evangelikale Bewegung.
„Bei allen Diskussionen um Pegida und die islamistischen Extremisten“, sagt de Maizière, „glaube ich nicht, dass davon eine Gefahr für das Christentum ausgeht.“ Die Gefahr gehe eher vom Christentum selbst aus – wenn es nicht offen gelebt würde. Christliches Profil sollte im Alltag gezeigt werden. „Es gibt aber keine direkte Ableitung aus der Bibel für die Politik.“
Ein Teilnehmer beklagt, es bestehe keine „Meinungsfreiheit“. Schon am Donnerstag hatte auf einem Podium die Bundessprecherin und sächsische Fraktionsvorsitzende der AfD Frauke Petry über die vermeintlich mangelnde Meinungsfreiheit streiten dürfen.
Auch in der „Sonderausgabe“ der Zeitschrift Idea Spektrum zum Kongress durfte sie behaupten, die „öffentlich-rechtlichen Medien berichteten oft unausgewogen“; „rechts“ werde als „Schimpfwort“ gebraucht.
In zwei Hallen sind über 180 Aussteller mit viel Nächstenliebe präsent – aber auch mit missionarischem Eifer. Zwischen Informationen über Geschäftsführung im christlichen Glauben, Hilfsorganisationen aus religiöser Überzeugung und Selbstoptimierung des Lebens durch den christlichen Geist macht ein Verlag sich Sorgen wegen des „Glaubens an die Evolutionstheorie“.
„Ja sicher, es ist selbst ein Glaube“, sagt ein Mann am Stand, denn die Fakten stimmten nicht. Alleine die Bibel halte einer Überprüfung der „wahren Entstehung“ stand, sagt er.
Einige Schritte weiter, vorbei an Ständen der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Partei Bibeltreuer Christen, erklären Vertreter von in Afrika und Indien tätigen Missionswerken, sie wollten Länder von der „Satans-Macht“ befreien. Ein anderer Stand bewirbt Bücher von Talkshow-Dauergast Birgit Kelle wie „Gender Gaga – Wie eine absurde Ideologie unseren Alttag erobern will“.
Auf dem Kongress kritisierte sie den Ausbau der Kinderbetreuung: „Das kann nicht wirklich Familienpolitik sein“, sagte die christlich motivierte Antifeministin, die zuletzt mit der Zivilen Koalition der AfDlerin Beatrix von Storch Demonstrationen gegen neue Bildungspläne zum Sexualkundeunterricht organisiert hatte.
An einem anderen Infostand liegen Plastik-Embryonen. „Nein, die zeigen wir nicht bei der Beratung“, versichert eine Frau. In einer ihrer Broschüren steht: „Wir sprechen uns für den Schutz des ungeborenen Kindes aus.“ Ihre Schwangeren-Beratungen seien aber offen, sagt sie. „Dass aber sehr viele Frauen und Männer nach einer Abtreibung stark leiden würden, sage ich natürlich“, schiebt sie nach.
Eine Sorge die auch Helmut Matthies bewegt, den Leiter von Idea und Mitveranstalter des Kongresses. Diese Schicksale bekomme er durch seine Frau, die Gynäkologin ist, immer wieder mit, sagt er der taz. „Im Westen sind nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten Menschen durch Abtreibungen umgekommen.“
Seit Jahrzehnten ist Idea mit der „Evangelischen Allianz“ verbunden. An ihrem Stand liegt eine „Stellungnahme“, laut der Abtreibung und Forschung an Stammzellen die „Würde des Menschen verletzen“. Dort heißt es auch, es seien „Kräfte am Werk“, um die „klassische Ehe und Familien zu schwächen“ – eine Anspielung auf die Homoehe.
Matthies, der schon für die extrem-rechte Wochenzeitung Junge Freiheit schrieb und deren Preis entgegen nahm, sagt: „Ich habe nichts gegen Homosexuelle, das ist angeboren.“ Das dürfte man nicht diskriminieren, ebenso wenig, „wie wenn jemand mit sechs Fingern an einer Hand geboren würde“.
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