Prokon doch nicht vor Insolvenz?: Komplizierte Genussrechte
Die Anleger sichern Prokon nur rund 50 Prozent des Kapitals zu. Wie es im Hinblick auf eine drohende Insolvenz weitergeht, bleibt offen.
FREIBURG taz | Rund die Hälfte der Prokon-Anleger überlässt dem Windparkbetreiber aus Itzehoe weiterhin ihr Geld. Kurz vor Ablauf der vom Unternehmen selbst gesetzten Frist hatten bis Montagnachmittag mehr als 38.000 Investoren zugesagt, ihre Genussrechte zu halten, zu erhöhen oder ausgesprochene Kündigungen zurückzunehmen. Kapital in Höhe von rund 740 Millionen Euro werde der Firma damit nicht entzogen, teilte Prokon auf seiner Internetseite mit.
Misst man das Unternehmen an seiner Aussage von vor zehn Tagen, ist das allerdings deutlich zu wenig – Prokon stünde damit vor der Insolvenz. Denn am 10. Januar hatte der Windparkbetreiber in einem Schreiben an seine Anleger erklärt, eine Insolvenz könne nur verhindert werden, wenn bis 20. Januar für mindestens 95 Prozent der Anlegergelder eine entsprechende Zusage vorliege. Doch nur für gut die Hälfte der 1,4 Milliarden Euro an Investorengeldern gab es bis gestern eine Zusicherung der Gläubiger, das Geld bis mindestens Ende Oktober im Unternehmen zu belassen und anschließend eine Ratenzahlung zu akzeptieren.
Wie es weitergeht, ist dennoch offen. Unklar ist nämlich, ob die Insolvenzdrohung vom 10. Januar überhaupt noch gilt. Zwischenzeitlich informierte das Unternehmen über eine „neue Entwicklung“: Ein hinzugezogener Insolvenzberater, der bereits „mehrere namhafte Unternehmen begleitet“ habe, sei zu der Einschätzung gekommen, dass gekündigte Genussrechte im Fall Prokon „in einem Insolvenzverfahren möglicherweise nicht als fällige Forderungen zu bewerten wären“. Rechtsgutachten zur Überprüfung dieser Einschätzung habe man in Auftrag gegen.
Die Unsicherheit basiert auf einer komplizierten Rechtslage: Viel nämlich hängt von der Einschätzung ab, ob die Genussrechte als Forderung gegen das Eigenkapital oder gegen das Fremdkapital zu werten sind.
Eigen- oder Fremdkapital?
Juristisch verzwickt wird es zudem, weil Prokon auch noch zwei verschiedene Arten von Genussrechten ausgegeben hat: Papiere vom Typ A sind unbefristet und können nach 6 Monaten Mindestlaufzeit mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Papiere vom Typ B haben eine feste Laufzeit, die der Anleger bei Zeichnung selbst wählen kann. Sie liegt bei mindestens 5 und maximal 10 Jahren. Am Ende kann die Bewertung, ob es sich um Eigenkapital oder Fremdkapital handelt, daher unterschiedlich ausfallen.
Prokon ist damit ein Sonderfall. Wenn andere Firmen Liquiditätsprobleme haben, sind es oft Banken, Sozialversicherungsträger oder Lieferanten, die den Insolvenzantrag stellen. Doch im Fall von Prokon gibt es offenbar seitens dieser Gläubiger keine offenen Forderungen. Prokon interpretiert die Aussagen des Insolvenzberaters daher so, dass ein Insolvenzantrag vom Gericht abgelehnt werden müsse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden