Programmzeitschrift „Dampf-Radio“: Sprödes Juwel
Die Zeitschriftenumschau der taz hält etwas ganz Besonderes in den Händen: Das feine Magazin „Dampf-Radio“ bietet exquisiten Hörstoff.
Der Bahnhofskiosk – unendliche Weiten: Knapp 1.600 Publikumszeitschriften schwappen regelmäßig in die Regale. In loser Folge und streng nach dem Zufallsprinzip stößt das taz-Medienressort in Parallelwelten vor, die manche menschliche Wesen regelmäßig aufsuchen, auf der Suche nach genau der Zeitschrift, die ihrem Leben den ganz speziellen Sinn gibt. Heute: Dampf-Radio, ein (bedauerlicherweise nur im Aboversand erhältliches) Magazin für Hörer.
Wie schaut ’s aus?
„Das Blatt strahlt etwa so viel Charme aus wie das Kursbuch der Bahn“, schrieb die Zeit, die das Heft 1995 skurril genug fand, um ihm einen Artikel zu widmen. Doch wer hatte nun den längeren Atem: das Kursbuch oder „Dampf-Radio“, na? Während das Wort „Kursbuch“ in Kürze aus dem Duden getilgt werden dürfte, erfreut sich das Dampf-Radio auch im siebenundzwanzigsten Jahr seines ununterbrochenen Bestehens (außerdem zwischen 1977 und 1981) bester Gesundheit – trotz Bleiwüsten-Optik. Ein schlichtes Layout bietet 144 Seiten Rundfunkprogramm ohne Fotos. Außen das Cover in Blau und Rot mit dem Untertitel „Einzige überregionale Hörfunkzeitschrift“. Schön ist das nicht. Aber es stimmt.
Was steht drin?
Dampf-Radio stellt das Radioprogramm der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland vor, dazu Ö1 aus Österreich und DRS2 aus der Schweiz. Die Privaten fehlen bewusst ganz. Die anderen Programmschemata tauchen an einem Wochentag mal auf, am andern nicht. Das erhöht die Abwechslung. Da zum Beispiel populärmusikbetonte Sender wie BR3 durch die Bank fehlen, möchte man zunächst an einen weiteren kulturkonservativen Coup (nach dem Dissen der Privaten) der Macher glauben. Doch am Montag sind auf einmal Radio Fritz vom RBB oder N-Joy vom NDR gelistet. Vielleicht ist ja der Montag Jugendtag. „Ö1. Gedanken für den Tag um 06 Uhr 56: ‚Ironie und Vorurteil‘: Zum 200. Todestag von Jane Austen wirft die Feuilletonchefin der Wochenzeitung ‚die Furche‘, Brigitte Schwens-Harrant, einen Blick auf die Werke der Autorin.“ So lesen sich die besonderen Programmhinweise für Hörspiele, Features, Literaturmagazine und als anspruchsvoll geadelte Musiksendungen.
Wer liest es?
Laut Herausgeber Liebhaber der Klassik und des Features, Akademiker und „viele junge Leute“. Die sind zwar mittlerweile alt, doch es soll ja nun neue junge Leute geben und deren Distinktions-Codes machen bekanntermaßen vor ollen Kamellen wie Radio, Video und aufblasbaren Planschbecken keineswegs Halt. Im Gegenteil. Gut vorstellbar als neue Klientel sind also auch Nerds, die sich per Internet im Retro-Look designte Radios bestellen.
Wer macht es?
Dampf-Radio wird in Schleiden (Eifel) produziert. Die Herausgeber sind seit 1990 der Gründer Ernst Chur sowie Sigrid Münch. Die Programmtipps werden in Fleißarbeit eins zu eins den Hinweisen der entsprechenden Sender entnommen, gesammelt und neu geordnet.
Warum kauft man es (k)ein zweites Mal?
Wer dieses Heft überhaupt kauft, weiß, was er will: ein so singuläres wie sprödes Juwel der deutschen Presselandschaft. Da die Perle ausschließlich im Abo vertrieben wird, gerät auch niemand sonst in Gefahr, sie zu erwerben, und kann somit auch nicht enttäuscht werden. Das Jahresabo kostet bei wöchentlichem Erscheinen 182,00 Euro.
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