Profisport und Klimakrise: Wenn sogar die Sneakers schmelzen
Beim Tennisturnier in Cincinnati hielt Sinner im Finale der Hitze nicht stand. Für die meisten Sportverbände spielt die Klimakrise dennoch keine Rolle.

Die Fans, die bestimmt nicht wenig für die Karten gezahlt hatten – hatten sich wohl ein spektakuläreres Spiel erhofft, vielleicht sogar ein Finale wie beim diesjährigen Roland Garros, bei dem Jannik Sinner und Carlos Alcaraz ganze fünfeinhalb Stunden grandiosen Tennis spielten.
Die beiden traten auch diesmal gegeneinander an, doch Sinner hielt den Temperaturen über 30 Grad nicht lange stand. Bei einem Rückstand von 5:0 gab er auf. Man kann darüber jetzt natürlich schadenfreudig schmunzeln.
Denn Tennis zählt vermutlich zu einer der Sportbranchen mit den höchsten CO2-Emissionen. Allein die vielen Reisekilometer, die die Profis in kurzer Zeit – also mit dem Flugzeug – zurücklegen. „The climate strikes back“ also.
Kollabierende Balljungen
Ja, das Klima schlägt zurück. Und zwar ziemlich heftig und schon seit Längerem. Es ist nicht das erste Mal, dass Tennisspieler in der Hitze fast kollabieren. Während der Australian Open 2014 lagen die Temperaturen teils bei über 40 Grad, mehrere Spieler gaben auf, ein Balljunge kollabierte, über 1000 Fans erlitten einen Hitzschlag, Wasserflaschen und Sneakers schmolzen in der Hitze. 2018 zeigten während der US Open die Thermometer zeitweise sogar 49 Grad an.
Doch nicht nur der Tennis leidet unter den steigenden Temperaturen. Hitzewellen können für jede:n Sportler:in lebensbedrohlich werden. 2019 wurde aufgrund der Hitze vorsichtshalber der New York Triathlon abgesagt.
Beim der deutschen Tischtennis-Meisterschaft brachen die Spielerinnen des TTC Berlin Eastside im Juni das Rückspiel gegen Weinheim ab und verloren dadurch, in der Halle soll die Temperatur fast 39 Grad betragen haben. Und natürlich hat die Klimakrise beträchtliche Auswirkungen auf den Wintersport: Es fehlt der Schnee.
Ganz genau kann man den sportlichen ökologischen Fußabdruck übrigens nicht festmachen, und das, obwohl die Welt des Sports doch so sehr auf Zahlen und Statistiken fixiert ist. Die einzigen einigermaßen gründlichen Studien gibt es nur im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen, Fußball-WM und EM.
CO2-Reduzierung? Fehlanzeige
Der deutsche Tennisprofi Alexander Zverev ließ vor einigen Jahren den CO2-Fußabdruck seines Teams untersuchen: zwischen Mai 2021 und Mai 2022 legte dieses rund 500.000 Kilometer zurück, das macht etwa 250 Tonnen CO2. So viel verursachen 27 Durchschnittsdeutsche im Jahr.
Schätzungen zufolge liegt der ökologische Fußabdruck des weltweiten Sports bei über zehn Millionen Tonnen CO2. Doch auch wenn ihre Profis regelrecht drohen, an den Emissionen zu ersticken, spielt das Thema bei den meisten Sportverbänden keine große Rolle. Fossile Unternehmen sind beliebte Sponsoren. Nachhaltigkeitsstrategien oder Versprechen zur CO2-Reduzierung gibt es selten.
Selbst bei der Anpassung an die Klimafolgen tut man sich schwer. Immerhin sind Trinkpausen im Fußball mittlerweile normalisiert. Die Verschiebung eines Tischtennisspiels, weil es fast 39 Grad in der Halle hat, eher nicht. Im Tennis ist es normal, ein Match wegen Unwetter und Starkregen zu unterbrechen und am nächsten Tag fortzusetzen. Bei extremer Hitze nicht. Man sollte aber mal darüber nachdenken.
Am Sonntag startet die US Open, das beliebte Grand-Slam-Turnier auf dem Hartplatz, der sich bekanntlich besonders stark erhitzt. Während des Turniers 2023 warnte der russische Spieler Daniil Medvedev aufgrund der Hitze: „Ein Spieler wird sterben.“ Da wäre dann wirklich niemanden mehr zum Schmunzeln zumute.
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