Olympia bei Extremtemperaturen: Cool in der Hitze

Freiwasserschwimmerin Leonie Beck fühlt sich im warmen Meerwasser pudelwohl. Auch weil sie genug getrunken hatte, wurde sie am Ende fünfte.

Freiwasserschwimmerin Leonie Beck mit schwarzer Schwimmbrille beim Blick aus dem Wasser

Nummer 13: Leonie Beck darf mit ihrer Lieblingsnummer schwimmen Foto: Oliver Weiken/dpa

TOKIO taz | Leonie Beck war so entspannt, als hätte sie gerade in einem erfrischend kühlen Baggersee ein kleines Wettschwimmen gewonnen. „Ich hatte richtig Spaß bei dem Rennen. Das hört sich vielleicht blöd an, aber es war wirklich ein cooles Rennen“, sagte sie freudestrahlend wenige Minuten nachdem sie dem Meereswasser vor Tokio entstiegen war. Gerade hatte sie mit dem fünften Platz ihren besten Freiwasserwettbewerb absolviert.

Was war im Vorfeld nicht alles über die Extrembedingungen dieses Schwimmmarathons über 10 Kilometer geredet worden. Erinnert wurde etwa an den US-Amerikaner Francis Crippen, der 2010 bei einem Rennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten kollabiert war und tot aus dem Wasser gefischt wurde. Und die US-Trainerin Catherine Kase hatte ihr Unverständnis geäußert, warum die Marathonrennen ins kühle Sapporo im Norden Japans verlegt wurden, während die Lang­stre­cken­schwim­me­r:in­nen im heißen Tokio bleiben mussten.

An diesem Mittwoch wurde eine Stunde vor dem Startsignal um 6.30 Uhr in der Früh eine Wassertemperatur von 29,3 Grad gemessen bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent. Die Sonne hat das Meer vor Japans Hauptstadt in der Folgezeit noch etwas mehr in Richtung des Grenzwertes (32 Grad) erwärmt, da die Schwim­me­r:in­nen nicht mehr ins Wasser gelassen werden dürfen. „Es wurde wärmer und wärmer und wir wurden schneller und schneller“, sagte die niederländische Silbermedaillengewinnerin Sharon van Rouwendaal. Sie schlug nur neun Zehntel Sekunden hinter der brasilianischen Olympiasiegerin Ana Marcela Cunha (1:59:30,8 Stunden) und vor der Australierin Kareena Lee an.

Doch keine von den Podiumsfrauen beschrieb die Bedingungen so gülden wie die hitzeresistente Leonie Beck. Die 24-Jährige stieg aus diesem Dampfgewässer von Tokio wie aus einem Jungbrunnen. „Ich habe eigentlich gar nicht geschwitzt während dem Rennen. Ich fand es ganz schön angenehm.“

Mehr als sonst spielte bei diesem Warmwasserwettbewerb die Verpflegungstaktik eine entscheidende Rolle. Fünf Runden mit vier Verpflegungsmöglichkeiten waren zu überstehen. Und Van Rouwendaal sah einen Schlüssel ihres Erfolgs darin, jede Station zur reichlichen Flüssigkeitsaufnahme genutzt zu haben, auch wenn sie das in dem Moment einige Plätze gekostet hätte.

Finnia Wunram, die zweite Deutsche im Feld, wiederum hatte nach der dritten Runde aufs Trinken verzichtet, weil sie eine Tempoverschärfung wahrgenommen haben wollte. Ein Fehler, wie sie hernach bekannte. So hatte sie im Finale vor der letzten Runde Nachholbedarf, weil sie sonst „energetisch kaputtgegangen wäre“. Sie kam mit gut anderthalb Minuten Rückstand als Zehnte ins Ziel. „Ich hatte mir mehr erhofft.“

Suboptimale Vorbereitung

Leonie Beck dagegen war am Ende dieser für sie so vergnüglichen zehn Kilometer lediglich 2,6 Sekunden von einem Bronze­rang entfernt. Grämen wollte sie sich darüber nicht. „Ich habe alles gegeben, mehr war nicht drin. Ein fünfter Platz ist immer noch sehr, sehr gut.“ Das sei mehr als sie sich zuvor erwartet hätte.

Wenn die Würzburgerin im Vorfeld dieser Olympischen Spiele über schwierige Bedingungen hätte klagen wollen, dann wären es vermutlich eher die in ihrer Heimat gewesen. Die geschlossenen Schwimmbäder in der ersten Coronawelle hatten viele Ath­le­t:in­nen betroffen. Für Beck kam aber im Februar diesen Jahres hinzu, dass ihr Trainer Stefan Lurz, der sie jahrelang betreut hat, vom Amt des Bundestrainers zurücktrat. Mehrere Athletinnen hatten dem Spiegel berichtet, von Lurz sexuell missbraucht worden zu sein. Die Würzburger Staatsanwaltschaft gab gerade vergangene Woche bekannt, mehrere mögliche Missbrauchsopfer vernommen zu haben.

Konkretes zu dieser Corona-Lurz-Zeit möchte Leonie Beck in Tokio lieber nicht sagen. Ihre Vorbereitung, erklärt sie, hätte besser laufen können. „Ich denke, ich hatte ziemlich großes Pech.“ In diesem Fall haben nicht nur die juristischen Behörden, sondern auch der Deutsche Schwimm-Verband noch einiges aufzuklären. Denn kurz nach dem Rücktritt von Lurz wurde dem Sportdirektor Thomas Kurschilgen im Olympiajahr gekündigt. Ein Zusammenhang mit dem Fall Lurz wurde offiziell nie bestätigt.

All das war im Odaiba Marine Park von Tokio weit weg von ­Leonie Beck. Sie genoss in vollen Zügen ihre Hochform zum bestmöglichen Zeitpunkt. „Ich hatte eigentlich während des ganzen Rennens keinen einzigen negativen Gedanken“, bemerkte sie. Als die Glocke die letzte Runde einläutete, war es sogar Beck, die das Tempo anzog und sich an die Spitze setzte. „Ich bin vier Runden im Sog geschwommen und wollte auch mal was probieren.“ So lag die deutsche Schwimmerin mit der Nummer 13 auf dem Arm in der Schlussrunde sogar einige Zeit auf Goldkurs. „Die 13 ist meine Glückszahl“, erklärte Beck. An diesem Tag schien auch wirklich alles für sie zu stimmen.

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