Probleme auf Bremer Ausbildungsmarkt: Neuer Pakt für mehr Azubis
Mit einer Kommission aus Kammern und Senat will Bremens Wirtschaftssenatorin vor allem schlechten Schulabsolvent*innen zu einer Ausbildung verhelfen.
BREMEN taz | Zu wenige Betriebe bilden aus, zu viele Schulabgänger*innen wollen lieber studieren oder sind unzureichend qualifiziert: Diese Probleme des Bremer Ausbildungsmarktes will Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) nun angehen.
Zurzeit entwickelt sie mit Kammern, Unternehmensverbänden und weiteren Akteuren Pläne, die Abhilfe schaffen sollen. Im Koalitionsvertrag hatte die rot-grün-rote Regierung vereinbart, bis zum Ausbildungsjahr 2021/22 mit einer Kommission aus den Akteuren der alten Bremer Vereinbarungen freiwillige Lösungen zu entwickeln.
Die vorrangigen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt sieht Vogt zum einen in der Ausbildungsbetriebsquote: Während mittlere und kleine Betriebe sogar teilweise über Bedarf ausbildeten, würden gerade große Unternehmen nicht genug ausbilden. Viele der Azubis würden aber früher oder später dorthin abwandern – „und das führt zu Unzufriedenheit bei den mittleren Unternehmen“. Zusammen mit dem Fachkräftemangel gebe es in Bremen inzwischen eine Problemlage, die nicht mehr allein über den Markt geregelt werden könne.
Anreize für Unternehmen
Zudem führe der Hang zur Akademisierung dazu, dass viele Schulabgänger*innen lieber studieren wollten, so Vogt. Besonders problematisch sei aber, dass viele Jugendliche schlechte Schulabschlüsse hätten und eigentlich förderungsbedürftig seien.
Genau hier möchte Vogt ansetzen und mit der Kommission Ideen erarbeiten, wie für Unternehmen Anreize geschaffen werden können, sich dieser potenziellen Auszubildenden anzunehmen. „Im Frühjahr wollen wir Unternehmen fragen, ob sie solche Azubis nehmen, wenn wir ihnen entsprechende Unterstützung anbieten.“ Bei der Finanzierung könne auf Bundesprogramme zurückgegriffen werden, ergänzte ein Sprecher der Senatorin.
Jonas Kuckuk, Berufsverband unabhängiger Handwerker*innen
Sollten diese freiwilligen Maßnahmen nicht greifen, könnte zum Ausbildungsjahr 2021/22 ein landesweiter Ausbildungsfonds eingerichtet werden, so Vogt. Dieser müsse vorher einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden. „Auch wird geprüft, wie zielführend dieser sein kann.“ Dass branchenspezifische Fonds wie beim Bau und in der Pflege Ausbildungsplätze schaffen, ist laut Koalitionsvertrag unumstritten.
Allein höhere Ausbildungszahlen nützten aber nichts, wenn die Stellen nicht durch Bremer Schulabsolvent*innen besetzt werden könnten. Der Fonds, so er denn kommt, werde auf die Betriebsgröße abzielen. „Selbstständige Betriebe mit einem Menschen werden nicht zur Kasse gebeten“, sagt Vogt. Kleine Betriebe und Handwerksbetriebe hätten nichts zu befürchten.
Handelskammer ist „kampfbereit“
Die Spitzen von Kammern und Unternehmensverbänden lehnten indes in einer gemeinsamen Stellungnahme eine etwaige Ausbildungsplatzabgabe strikt ab. Sie erhöhe Standortkosten, helfe nicht beim Fachkräftemangel und belaste kleine und mittlere Unternehmen. Anfang der Woche hatte sich Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen im Weser-Kurier-Interview „kampfbereit“ gegeben: „Wir werden uns notfalls etwas einfallen lassen, um dagegen anzugehen.“
Sie hatte zudem das Bremer Schulsystem kritisiert, welches Schuld daran sei, dass so viele Jugendliche nicht ausbildungsfähig seien. Marahrens-Hashagen wünscht sich unter anderem Zensuren für die unteren Klassen.
Dass das Bildungssystem in Bremen ein Problem habe, sieht auch Vogt. „Wir haben Stadtteile mit einem Sprachförderbedarf von 70 bis 80 Prozent – wie soll man da vernünftig einen Schulabschluss machen?“ Dennoch brauche es auch Lösungen für die jetzigen Schulabsolvent*innen.
Die Äußerungen der Handelskammer-Präses hält Jonas Kuckuk für fehl am Platz. Er ist Reetdachdecker und Sprecher des Berufsverbandes unabhängiger Handwerker*innen. „Dass die Präses der Handelskammer volle Breitseite gegen die Bildungspolitik abfeuert, gehört nicht zu ihrem Aufgabenbereich.“
Eine finanzielle Unterstützung für Unternehmen, die ausbilden wollen, aber nicht können, hält er zwar für richtig – die Sorge der Kammern, dass eine Ausbildungsabgabe kleine Unternehmen schädige, teilt er aber. „Ein möglicher Eingriff durch den Staat darf auf keinen Fall Existenzgründungen verhindern.“
Handwerk hat schlechtes Image
Mit der bestehenden Umlage im Baugewerbe hat Kuckuk schlechte Erfahrungen gemacht: „Einmann- oder Einfraubetriebe werden zur Kasse gebeten, obwohl sie selbst gar nicht ausbilden können – aufgrund fehlender Kapazität oder fehlendem Meistertitel.“ Überhaupt sei das Problem nicht die Zahl der Ausbildungsplätze, sondern die Azubis, die „keinen Bock haben“. Sein Vorschlag: das Image des Berufs ändern. „Das verstaubte Handwerk transportiert ein Menschenbild, was kein Jugendlicher mehr möchte.“
Die Kammern erklärten sich bereit, sich in einem neuen Ausbildungspakt auf Maßnahmen zu einigen, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken und Azubis und Unternehmen zusammenbringen. Ein erstes Treffen der Kommission fand bereits im Oktober statt. „Der bisherige Austausch war gut und konstruktiv“, betont Michael Zeimet, Geschäftsführer der Handelskammer. Auch Vogt ist zuversichtlich.
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