Pro und Contra Rauchen: Raucher raus oder mehr Toleranz
Verletzen stark rauchende Mieter die schutzwürdigen Interessen ihrer Nachbarn? Muss ihnen die Wohnung gekündigt werden?
Gifte und Gestank machen an der Wohnungstür nicht halt
Schwierig: Da lebt ein Mensch vierzig Jahre in seiner Wohnung, zahlt Miete, randaliert nicht, raucht nur wie ein Schlot. Ob er beim Lüften die Fenster öffnet oder die Tür zum Hausflur oder ob er gar nicht lüftet, bleibt strittig. Und dieser Mann ist jetzt eine solche Zumutung, dass es opportun ist, ihn zu kündigen?
Ja, sage ich, ja.
Denn so harmlos, so autoritär, so überwachungsstaatmäßig ist die Gemengelage nicht. Da ist etwa die Wohnung, in der der Mann Jahrzehnte lebte – bis vor Kurzem mit seiner Frau, auch sie eine starke Raucherin. Die Wände, die Decken, der Boden, Türen und Fenster sind, davon ist auszugehen, Sondermüll, in dem sich die Giftstoffe festgesetzt haben. Das wäre als Risiko der Vermieterin noch hinnehmbar – obwohl es für diese Folgekosten hat, als hätte der Mann randaliert.
Nun leben jedoch über dem rauchenden Mieter auch andere MieterInnen, vor denen die Gifte und der Gestank nicht haltmachen, wie amerikanische Studien aus Nichtraucherzimmern in Hotels, wo noch geraucht werden darf, belegen. Und da wird die Sache kompliziert. Denn es gilt damit schutzwürdige Interessen Dritter zu bewerten und nicht nur die Gewohnheitsrechte des rauchenden Mieters.
Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass jährlich weltweit 600.000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens sterben. 46,6 Prozent davon Frauen, 27,5 Prozent Kinder. Die Autoren der Studie plädieren für Rauchverbote in Räumen.
Zurück zum Düsseldorfer Mieter: Er steht für viele dieser Geschichten, wo die Sucht – mit der Egoismus gern verdeckt wird – Schaden nimmt. Vor sich selbst kann man ihn nicht schützen, aber man kann ihm Grenzen setzen, die ihm zeigen, dass er anderen schadet und ihm durch eine rechtmäßige Kündigung, die ihm Unannehmlichkeiten bereitet, klarmachen, dass er Rücksicht zu nehmen hat. Auge um Auge also. Ja leider. Denn in so einer Gesellschaft leben wir. WALTRAUT SCHWAB
Die Regelungswütigen wollen in Wahrheit ein Totalverbot
Herrlich. So eine rauchfreie Wohnung ist etwas Großartiges. Kein Wunder, dass selbst hartnäckige Raucher mehr und mehr dazu übergehen, draußen zu qualmen. Auf den Balkon. Vor der Tür. Im Park. Aus Rücksicht gegenüber den Mitbewohnern, den Gästen, den Tapeten oder sich selbst. Ja, so ein Verzicht ist ein zivilisatorischer Fortschritt. Wenn er eins ist: freiwillig.
Aber ein staatliches Rauchverbot in der eigenen Wohnung? Oder – noch schlimmer – Rauchen als Kündigungsgrund? Echt jetzt? Man kann ja vieles regeln – wenn es um die Begegnung im öffentlichen Raum geht. Aber wo, wenn nicht in der eigenen Wohnung, soll man sich eigentlich noch so verhalten dürfen, wie man möchte?
Und vor allem: Was kommt denn dann als Nächstes? Sex nur noch bei geschlossenem Fenster? Und nur zwischen 21 und 22 Uhr? Weil es früher die sittliche Entwicklung der jüngsten und später das Ruhebedürfnis der älteren Nachbarn gefährdet? Zwiebeln braten nur noch bei geschlossenem Fenster, weil es dem Gourmet von oben sonst den Rotwein vergällt? Nachts nur im Sitzen pinkeln, weil das Pladdern des harten Strahls die Feministin nebenan irritert?
Ja genau, all solche Regelungen wären eine spürbare Erleichterung für die Anwohner. Aber was wäre denn dadurch gewonnen, wenn der Nachbar nicht mehr nebenan, sondern draußen vor der Tür, womöglich unterm Schlafzimmerfenster raucht? Nichts! Und deshalb geht es den Regelungswütigen auch gar nicht um Vorschriften für das Verhalten in Privaträumen, sondern letztlich immer um ein Totalverbot.
Wer aber jegliche Belästigung durch andere per rechtlicher Vorgabe ausschließen will, hat doch vor allem eins: ein beträchliches Problem mit der Existenz anderer Menschen. Und gegen die hilft zum Glück nicht einmal das härteste Gesetz. Problemlösung verheißt nur ein Weg: entspannte Toleranz. Gegenseitig. GEREON ASMUTH
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