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Pro & Kontra Anonymität im NetzGestatten, Friedbert Frühstück

Nach den Morden von Oslo forderten Politiker Klarnamen im Netz, soziale Netzwerke wollen keine Pseudonyme. Brauchen wir die Anonymität im Netz?

Unter Pseudonym mit immer neuen Avatar-Socken über der Nase digitale Brandsätze werfen? Für einen meinungsbildenden Diskurs braucht niemand eine Hasskappe. Bild: dpa

PRO

Es ist eine teils absurde Debatte um die Anonymität, die wir gerade erleben. Ausgelöst von den Diskussionen nach dem Doppelattentat von Oslo lesen wir Forderungen, die vor allem ein Ziel haben: das, was wir im Internet tun, nachvollziehbar zu machen, uns haftbar machen zu können. Das klingt für viele zuerst einmal nicht verkehrt: Ist nicht die Anonymität im Internet ein großes Übel? Kann da nicht jeder einfach tun und lassen, was er möchte? Darf das sein?

Als im späten 18. Jahrhundert drei Männer für die repräsentative, republikanische Demokratie eine bis heute noch in vielen Aspekten gültige Streitschrift verfassten, da veröffentlichten sie diese unter Pseudonym. Publius war der gemeinsame Name, unter dem Alexander Hamilton, John Jay und James Madison die Debatte um die US-Verfassung und den Nationalstaat befeuerten. Waren sie nicht, genau genommen, für ihre Leser anonym? Wer hätte den Weg zu ihnen wirklich zurückverfolgen können? Die Geschichte ist voller Menschen, die unter "falschem" Namen - was ist ein richtiger? - agiert haben. Die wenigsten waren schlimme Finger, einer wurde sogar Bürgermeister Westberlins und Bundeskanzler. Wir akzeptieren Namen, nehmen sie als gegeben hin.

Die Autoren

Christian Füller

taz-Redakteur und Autor lernt den Diskurs des Netzes seit drei Jahren als Blogger auf pisaversteher.de und @ciffi kennen.

Falk Lüke

ist freier Journalist, Mitglied der "Digitalen Gesellschaft", arbeitete zuvor u. a. für die Verbraucherzentrale und Zeit.de.

Anonymität ist dabei der Standard, mit dem wir uns bewegen. Auf der Straße tragen wir kein Namensschild. Wer in Gorleben, Stuttgart oder an anderen Orten demonstriert, ist anonym in der Masse unterwegs. Wenn wir zu einer Diskussionsveranstaltung gehen, müsen wir uns in der Regel nicht ausweisen. Und wenn wir einen Leserbrief an eine Zeitung schreiben, kann die andere Seite nicht nachvollziehen, ob es uns wirklich gibt. Natürlich gibt es immer wieder Möglichkeiten, unsere grundsätzliche Unbekanntheit aufzuheben. Nur: wie viele jener Menschen, mit denen Sie täglich interagieren, konfrontieren Sie mit Ihrer sogenannten Identität? Dieser Text entsteht im Café. Wie absurd wäre doch die Vorstellung: "Guten Morgen, mein Name ist Falk Lüke und ich hätte gern einen Kaffee." - "Guten Morgen, ich bin Friedbert Frühstück, hast du sonst noch einen Wunsch?" Es ist die Natur von Anonymität: Sie ist ein Gedankenkonstrukt und praktisch nur relativ. Mit genügend Informationen über einen Akteur ließe sie sich immer aufheben, in der Praxis ist sie eher eine Pseudonymität.

Das Unbehagen gegenüber der "anonymen Masse" im Internet, die sich in Teilen unflätig benimmt, ist nur zum Teil der Anonymität geschuldet. Für die soziale Interaktion ist es irrelevant, ob wir mit Michaela Müller oder I. Gitt diskutieren. Primär ist es eine Diskussion um Verhaltensregeln, Normen und Anstand. Manche wissen sich schlicht nicht zu benehmen.

Der Anlass der Forderungen des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich war, dass man kaum nachvollziehen könne, mit wem Anders Behring Breivik kommuniziert hatte und von wem er sich beeinflussen ließ. Einer der Autoren, von denen Breivik offenbar beeinflusst zu sein glaubte, lüftete nach der Tat sein Geheimnis: Der rechte Blogger "Fjordman" war von Breiviks Taten so entsetzt, dass es ihm wichtig wurde, sich unter echtem Namen davon zu distanzieren. FALK LÜKE

CONTRA

Mein Verfolger ist eine multiple Persönlichkeit. Er löscht bei Wikipedia in einem Artikel alle neuen Textteile, er radiert sämtliche Fußnoten aus. Als Anonymus. Wenig später meldet er sich auf der taz-Kommentarspalte als fristian chrüller - und erzählt Märchen. Er loggt sich auch bei Twitter mit Maske ein. Ich bin keine einsame Celebrity. Ich habe keine Angst vor meinem Verfolger. Aber er nervt.

Mein Verfolger ist ein Kind, ein Kind der Anonymität im Netz. Er findet witzig, was wir in der Schülerzeitung machten: Lehrer anonym derblecken. Aber er ist eben nicht 14, sondern ein erwachsener Mann, wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Uni. Dennoch benimmt er sich wie ein Teenie in London. Nur dass er sich keinen Kapuzenpulli über die Stirn hängt, sondern mit immer neuen Avatar-Socken über der Nase digitale Brandsätze wirft, ein smart stalker. "Ich schreibe anonym", sagt er unschuldig, "da Argumente unterschiedlich wahrgenommen werden, je nachdem, von wem sie kommen, und ich meine Argumente im Raum nicht deshalb abgetan wissen will, weil ich … in die Reformpädagogik-Ecke gehöre."

Kein Mensch muss als inkontinenter Anonymus durchs Internet streifen, um die Wirkung seiner "Argumente im Raum" zu beschnuppern. Auf einer öffentlichen Veranstaltung würde er doch hinstehen müssen ("Hallo, ich bin der Axel") - und Gesicht zeigen. Das ist eine durch und durch gute Idee. Das Netz braucht keine Anonymität, allenfalls sehr ausnahmsweise. Nicht nur für die bürgerliche Gesellschaft ist das konstitutiv, auch der Diskurs in Parlamenten, Versammlungen und zu Tisch, kennt kein anderes Prinzip: Zu "ich spreche" gehört notwendig das Ich. Wieso sollte diese Ratio der Aufklärung für das Netz nicht gelten?

Kein Missverständnis. Ich möchte meinem Inkognito-Follower nicht den Bundesinnenminister auf den Hals hetzen. Und ich will auch kein Gesetz. Aber man wird wohl im superaufgeklärten Diskursraum Netz einen demokratischen Kodex erwarten können - Ausnahmen inklusive. Ein Forum von Betroffenen sexueller Gewalt etwa, wie das legendäre Misalla-Blog im Jahr 2010 eines war, muss geradezu mit Pseudonymen arbeiten. Offensichtlich ist auch, dass man Supermächte wie China, Exxon oder die Deutsche Bank nicht mit Angabe von Name und Adresse wirksam wird ärgern können.

Die stets so hochgehaltene Mündigkeit der Netzcommunity aber wird sich an der Frage beweisen, ob sie eine politische Netiquette für den Diskurs in Social Media, Blogs und Foren zustande bringt. Das ist schwerer, als sich über seltsame Vorschläge eines Innenministers zu belustigen, wie es sich Blogger gerade leicht machen. Aber es muss sein.

Für einen meinungsbildenden Diskurs braucht niemand Ku-Klux-Klan-Haube, Hasskappe oder Burka. Anonymität muss selbstverständlich auch in der Informationsgesellschaft möglich sein. Aber da, wo Öffentlichkeit entsteht, ist es aus mit Inkognito. Politik ohne Gesicht, wie soll das gehen? Jede Theorie ubiquitärer allezeit kollaborativer Kommunikation hat als Mittel und Zweck - die Individualität. In der Masse zählt nur das unbedingt Originelle. Anonyme Originalität ist ein Widerspruch in sich. Also: Gesicht zeigen. CHRISTIAN FÜLLER

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20 Kommentare

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  • Ich habe sehr schlechte Erfahrungen mit der Anonymität in sozialen Netzwerken gemacht. Es begann damit, dass Fotos von meinem Facebook Profil plötzlich auf Kontaktbörsen im Internet auftauchten. Dort wurde dann in meinem Namen nach sexuellen Kontakten gesucht. Ich hätte das wahrscheinlich nie gemerkt. Aber zufällig wurde ein guter Freund quasi von mir angeschrieben. Er hat mich dann darauf aufmerksam gemacht.

    Anzeige wurde erstattet. Wahrscheinlich wurde mit meinen Bildern versucht Leute in den Chat oder an das Telefon zu bekommen. Ich nutze keine sozialen Plattformen mehr! Aber wenn mich jemand auf der Strasse länger ansieht ... ist das stellenweise seltsam

    lg Melissa

  • Q
    Querulant

    So ein Schwachsinn... der Attentäter von Oslo hat sich doch ganz offen mit seinem richtigen Namen im Netz bewegt und seine gequierlte Kacke da verbreitet... Da wird nur wieder versucht ein Ereignis zu missbrauchen un die Überwachung des Bürgers auszubauen und zu rechtfertigen!

  • W
    Wolf

    Das Thema ist obsolet, da sich der Innenminister im selben Atemzug gegen eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten aussprach. Argumentativ bewegt er sich in diesem Fall plötzlich auf Seite derjenigen, die Anonymität im Internet fordern.

     

    Sind eigentlich die beiden uniformierten Kirmesboxer, die auf Demos friedliche Radfahrer verprügeln schon verurteilt?

  • K
    Ökomarxist

    Anonymität ist auch Schutz.Ohne Anonymität brauche ich kein Netz, da stimme vic, zu denn wer hat nicht Angst vor Repression wenn er Misstände aufdeckt, aber

    die Verursacher den Whistleblowler suchen.

     

    "Kritik ist der Kopf der Leidenschaft"

    Karl Marx

     

    Der Kritiker muss aber in manchen Fällen anonym bleiben dürfen aus. siehe Oben 3. Zeile

  • MN
    Mein Name

    @Jan Moenikes: Mein Posting von 7:53 enthält das am Anfang.

    - Jeder darf versuchen, anonym zu posten.

    - Es reicht, wenn 'greifbare' Foren-Mitglieder (Freiwillige, nicht immer die Admins) die anonymen Postings oder Teile davon freischalten oder mit Kommentar "sperren". Wenn 2-5 Mitglieder dafür "mit ihrem pseudonymen Nick" bürgen, reicht das. Die Politiker verraten ja auch nicht, wer ihnen die "tollen" Vorschläge für noch mehr Schulden auf meine Kosten gegeben hat oder wer ihre Reden schreibt.

    Dann wären anonyme Postings chaosfreier möglich als bisher. Trollschrott aber käme nicht mehr hoch oder bestenfalls mit passenden Kommentaren der Bürgen.

    Da gingen durchaus konstruktive Foren die es bisher für z.B. Politik u.ä. nicht wirklich gibt, weil es für DIE viel besser ist, wenn man dumm bleibt und auf Stammtisch "diskutiert".

     

    Bürge heisst nicht, das man das Posting gut findet. Man kann es auch als schlechtes Beispiel freischalten und mit einem Wikipedia-Link versehen den der Autor nicht schlau genug war zu finden damit die anderen daraus lernen.

    Beispiel1: Bei Openleaks werden vermutlich 80% der Postings völlig stammtischmäßig desinformiert sein.

    Beispiel2: "Das gibts billiger". Dann gehört natürlich ein Kommentar wie "Wo denn ? Oder arbeitest Du für die Konkurrenz ?" als erster Standard-Kommentar drunter.

     

    Das Ziel jeder Discussion ist das intellektuelle Abgrasen des Themas in kürzester Zeit. Nicht die egomanische Durchsetzung von eigen-interessen oder (bezahlte) Verbreitung von Desinformation. Das ist wie ein Ruderboot wo Linke und Rechte rudern und alle so, das es schnell von A nach B kommt und nicht wie Trolle die keinen Meter bewegen wie man es auf manchen Seen sehen kann. An Anti-Desinformation hat aber kaum jemand ein Ziel. Tja. Schade. Auch wenn Anonymität hier egal ist: Der openstreetmap-Gründer wurde in der Mailing-Liste "weichgekocht" und arbeitet deshalb jetzt für Microsoft.

    Ernsthafte Diskussionen existieren kaum wirklich. Also können die Schuldenmacher weiter Schulden machen.

  • JM
    Jan Moenikes

    Die Diskussion krankt (nicht nur an dieser Stelle) meines Erachtens mindestens an zwei Punkten:

     

    1. In der "realen Welt" gibt es keine Anonymität, die der im Internet vergleichbar wäre. Denn auch wenn wir "auf der Straße kein Namensschild tragen", so sind wir dort NIEMALS anonym unterwegs. Denn wir haben mit unserem Körper nicht nur zwingend DAS "Biometrische Merkmal" schlechthin dabei, sondern sind im Konfliktfall selbst dann "in persona" greifbar, wenn wir unser Gesicht vermummen. Namen erleichtern insoweit lediglich die Zuordnung zu einer Person. Der große Unterschied zum Internet aber ist, dass der Verantwortliche "auf der Straße" auch ohne Namen immer auch greifbar und damit ggfs. auch gegen seinen Willen später einem Namen zuordenbar bleibt. Konsequent gilt daher beispielsweise als "Fahrerflucht" im Sinne des §142 StGB das "Unerlaubte Entfernen vom Unfallort" und nicht etwa der Umstand, dass der Unfallbeteiligte nicht seinen Namen nennt oder gar einen Ausweis vorgezeigt hätte. Und selbst ein namenloser Mensch kann in "real world" für eine Tat haftbar, verurteilt und bestraft werden, wenn seine Identität mit dem Täter feststeht.

     

    2. In der körperlosen Welt des Internet ist Pseudonymität dagegen schon aufgrund der technischen Bedingungen die Regel und selbst Anonymität sogar vom deutschen Gesetzgeber erwünscht (siehe §§13 TMG VI und §47a RStV). Das kann aber eben nur für Nutzer, nicht für Anbieter im Internet gelten! Denn Anonymität kann der Meinungsfreiheit dienen, darf aber nicht zur völliger Verantwortungslosigkeit führen. Das würde weder der Freiheit, noch dem Recht dienen und allein einseitig die Opfer anonymer Taten belasten.

     

    Gerade wenn man für Beibehaltung von Anonymität im Internet streitet, muss man also im Umkehrschluss akzeptieren, dass dann (weltweit!) der Anbieter (also auch der Betreiber eines Forums oder Blogs) einer Impressumspflicht nachzukommen hat und zugleich seiner (wenn auch eingeschränkten) Verantwortung für die von ihm verbreiteten Inhalte nachkommt. Wikipedia will aber beispielsweise gerade KEINE entsprechende Verantwortung für ihr Angebot übernehmen und verweist statt dessen auf die individuellen IP-Daten des Nutzers. Ein Pseudonym, das anders als in Deutschland und hier nicht nur aus Gründen des Datenschutzes, nicht nur in den USA keine Anonymität bedeutet... Wikipedia leugnet also diesbezüglich beides: Sowohl die eigene Verantwortung als "Intermediär", als auch die Verantwortung eines besonderen Schutzes ihrer Autoren.

     

    Sowohl die Argumente für Pro, als auch die Argumente für Contra, führen daher in die Irre und sind nicht geeignet, das zu wiederlegen oder zu stützen, was der Innenminister da in seiner Internet-Ausdrucker-Manier vielleicht im Kern eigentlich nur ausdrücken wollte:

     

    Auch im Internet sollte man zu seiner Meinung stehen müssen wenn man sie öffentlich und weltweit verbreitet oder es muss im Konfliktfall zumindest sonst jemand als Verantwortlicher identifizierbar bleiben, der vielleicht nichts "dafür", aber wenigstens etwas "dagegen" tun kann, um bestehende Konflikte zu lösen.

     

    Das hieße nichts anderes, als beispielsweise das, was bei uns in Deutschland schon gilt, auch international zum Standard zu machen: Wenn jemand in seinem Internetangebot anonyme Äußerungen/ Inhalte Dritter (z.B. Kommentare wie hier) zulassen will, dann ist eben er als Seitenbetreiber dafür (wenigstens beschränkt) verantwortlich. Und wenn der Seitenbetreiber anonym agiert, ist in letzter Konsequenz eben der Host-Provider in Anspruch zu nehmen. In solch einem System der Verantwortung ließe sich auch nachhaltig rechtfertigen, warum es dann umgekehrt auch überall ein RECHT auf Pseudonymität oder gar Anonymität der Nutzer im Internet geben sollte.

  • U
    Uncas

    Füller macht den Müller: Nur wenn du mir nachweisen kannst, dass dein Thema dem Anonymitätsvorbehalt unterliegt und dein Inhalt natürlich, dann darfst du dich hinter einem Pseudonym verstecken. Geben Sie bitte zur Prüfung Ihren Namen und Ihre Anschrift bekannt, indem Sie bitte folgendes Formular ausfüllern und senden Sie es bei der taz unter Zukunft/Bildung ein, damit ihr Anspruch auf Anonymität geprüft werden kann. Wie soll das überhaupt gehen? Eine Anonymitätspolizei mit Füller als Boss? Bloss nicht:

     

    Sehr geehrter Kommentarist:

    Sie haben gerade einen meinungsbildenden, öffentlichkeitswirksamen Diskursbeitrag geschrieben, bitte weisen Sie sich aus, sonst kommt Herr Müller mit dem Füller.

    Zu Ihrer Information: Das demokratische Bildungsprogamm für die Schulen und die nächste Generation befindet sich bereits in Arbeit. Was Ihnen noch schwer fällt, wird für die nächste Generation einer Selbstverständlichkeit sein.

    Ein Hoch auf openleaks. Ein Hoch auf die Bildung der Zukunft.

    MfG

    ciffi

     

    Das ist so ein absurder, fast dadaistischer, selbstbezogener (we know each other well) Murks, aber that's the way the public likes it. Er sollte mal überlegen, welche Bühne er hat und ob nicht die Zuschauer wie zu Zeiten Shakespeares auch mal laut und fortgesetzt schreien dürfen: Halt mal ein, du da auf dem Podium. Vielleicht wär's auch mal wert drüber nachzudenken, wieder Autorenkürzel einzuführen. Dieser Hang zur Selbstdarstellung im neuen deutschen Journalismus ist furchtbar. Mehr Bildungspolitiker denn Bildungsjournalist ist Herr Füller. Ein wenig mehr Zurückhaltung täte journalistisch so manchesmal gut.

  • K
    Kaffeetrinker

    Gesicht zeigen in öffentlichen Debatten, die im Netz stattfinden, hört sich natürlich erst einmal gut an und könnte die Demokratie stärken.

     

    Das Netz ist aber auch ein großer Hobbyraum. Muss mein Arbeitgeber wissen, dass ich vielleicht St. Pauli- oder Hansa Rostock-Fan bin, dennoch linksradikal, vegan lebe oder mir jeden Tag 2 Kilo Fleisch reinstopfe? Muss er wissen, wie es um meine Sexualmoral und meinen Musikgeschmack bestellt ist? Sich selbst googlen wirkt Wunder bei dieser Frage. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele Menschen denselben Namen wie man selbst tragen, um bei einer oberflächlichen Suche nicht sofort identifiziert werden zu können. Selbst Nicknames wechsele ich ständig. Denn das Netz vergisst nichts.

  • M
    Martin

    Ich möchte weiterhin SELBST bestimmen können, wann und wo ich anonym auftrete. Übrigens bei Facebook und Google+ steht mein Klarname. Aber ich kann beobachten, dass meine Kontakte immer häufiger ein Pseudonym verwenden. Das gefährdet aber das System, weil ich nicht mehr einfach nach einem Namen suchen kann.

     

    Mein Klarname erscheint bereits jetzt im Netz, weil ich .de-Domains registriert habe und da der Name und die Adresse im whois hinterlegt wird.

  • N
    NJT

    "Einer guten Idee ist es egal wer sie hat."

     

    Soviel zum Widerspruch von Anonymität und Originalität. Die Ideen, nach denen unser Leben heute funktioniert, wurden von Menschen in die Welt gesetzt, die den meisten unbekannt sind - anonym sozusagen.

     

    Warum sollten wir ein Briefgeheimnis aufrechterhalten, wenn Anonymität nicht so wichtig ist? Der Grund für die Möglichkeit unkontrollierter Kommunikation unter den Menschen sollten diejenigen recherchieren, denen der Überwachungswahn (und seine Folgen!) der letzten beiden deutschen Diktaturen in der jüngeren Geschichte noch nicht gereicht hat. Ein Artikel mit einer psychologisch fundierten Analyse, warum sich offenbar Viele (unbewusst?) den Faschismus zurück wünschen, wäre lesenswert.

  • MN
    Mein Name

    Es würde auch reichen, wenn 2-5 "Bürgen" ein anonymes Posting bzw. nur bestimmte Teile davon freischalten. De facto ist das eine diffundierte Version der Moderation wo jedes Posting freigeschaltet wird.

     

    Wie so gerne wird nur low-mäßig pseudoanalysiert. Man muss angstfrei seine konstruktive Meinung sagen können. Dazu gehört Anonymität speziell bei Kritik die durchgängig inzwischen mit Parteiausschluss, Mobbing, Schikane, Öffentlicher Empörung u.ä. bestraft wird. Siehe Spiegel und "elder Statesman" die als einzige noch der einheitsgekämmten Parteilinie widersprechen. Bei 5 Parteien ist die Moral halt dünner als früher mit 2+1/2 Parteien.

     

    Anonymität sollte aber nicht für unkonstriktives Verhalten nutzbar sein. Die Linke hat Gewalt aber wohl nie abgelehnt. Bei Gewerkschafts-Demos gibts keine Sachbeschädigungen. Gewalt ist die Sprache von Hohlbirnen. Das hat sich bei ATTAC u.ä. noch nicht herumgesprochen. Und Forenmobbing, Trollismus und Unfug-Verbreitung sind so normal, das Stammtische und Foren dasselbe Bildungs-Niveau und Lern-Resistenz zeigen wie UBahn-Wegschauer und Unfall-Gaffer.

     

    Und die Internet-Gesellschaft muss garnix zentral organisieren. Wenn konstruktive legale Foren nicht ständig hoppsgenommen werden würden, dürfen die Troll-Foren wie bisher weitermachen und den Anschein von Diskussion verbreiten. Es reicht völlig, funktionierende Spielregeln im Forum zu etablieren um das einzig wahre gute Forum zu erschaffen und die Trolle in ihren Morast-Sumpf-Foren unter sich verbleiben zu lassen. Dabei scheitern alle mir bekannten Foren obwohl es keine relevanten Markteintrittshürden dafür gibt. Weichspül-Wischi-Waschi/Troll-Verseuchung oder hartes Deletertum wie in Syrien sind die üblichen zwei Formen von Foren. Von einem deleteten Beitrag lernt keiner. Beleidigungen müssen natürlich gelöscht werden. Aber Sozialisation durch Feeback auf konstruktive Diskussion findet nirgendwo statt und die Trolle regieren die "öffentliche" Internet-"Diskussion" zugunsten der etablierten Macht.

    Wenn Änderungen bei Wikipedia in einer Pipeline stehen wirkt sich Vandalismus nicht sofort aus und wirkt somit gar nicht mehr, wenn man diese Änderungen nicht freischaltet. Und weil man für fast alles Belege verlinken muss, würde Wikipedia besser laufen. Spieltheorie überfordert die meisten wohl... . Denn darum geht es: Wie erreicht man (mit Spielregeln) das Ziel. Nur ist das Ziel der Foren meist, Pseudiskussion vorzutäuschen statt wirklich konstruktiv Probleme zu lösen oder relevante Informationen (beispielsweise bei News-Meldungen) zu ergänzen.

    Gute Foren sind unbezahlte Freiwilligen-Arbeit. Tja. Bloss wo unter Populismus, Trollismus, Hooliganismus, Hörigkeits-Postings und zillionen bezahlten Postings.

    Nur die Presse hat noch das Recht zu sprechen weil Privatleute schnell kaputtgemahnt werden wie sich ganz langsam auch in Blogs bemerkbar macht. Und Werbekunden sind in dürren Zeiten wichtiger... . Also nur Fake-Foren etablierter Mach-Art mit den zersetzenden Folgen ignoranter Passivität für "Demokratien". Das reicht den Machthabern nämlich völlig. Konstruktive Diskussionen will doch fast niemand. Und wer sie will oder sogar organisiert wird schikaniert. Denn Protest bekämft man wie die Pest. Oder wie Syrien.

  • A
    AndreasP

    Das "Kontra"-Argument ist nicht einleuchtend. In einer öffentlichen Diskussion kann sich jeder hinstellen und sagen "Ich bin der Axel", auch wenn er gar nicht so heißt. Nur für wenige Promis und für Veranstaltungen in der unmittelbaren Nachbarschaft gilt das nicht. Im Internet kann jeder als "Christian Müller" oder "Heinrich Füller" oder sonstwas schreiben, wie soll denn eine Realnamenpflicht durchgesetzt werden? Ausweiskontrolle bei jeder Diskussion? Und im "Real Life" dann im Gegenzug auch Ausweiskontrolle und Namensschild für gar jede politische oder zivilgesellschaftliche Veranstaltung? Diese Vorstellung ist gespenstisch.

     

    Außerdem gilt für alle, die ihre guten Argumente aufgrund von Vorurteilen wg. Geschlechts, Religion, Ethnie in der Wirkung für gefährdet halten, dass sie sich wenigstens im Internet dafür dazu einen passenden Namen zulegen können. Diesen Vorteil gegenüber der öffentlichen "Real Life"-Diskussion sollte man nicht unnötig aufs Spiel setzen.

  • V
    vic

    Ohne Anonymität brauche ich kein Netz, und ich nutze nicht mal Social Network.

  • JS
    Jens Schlegel

    Kann man sich denn keinen Zwischenweg vorstellen? Also z. B. sich mit Klarnamen anmelden und mit Pseudonym veröffentlichen? Man wäre geschützt, denn wen interessiert es, wie ich heisse? Ich bin einer von Milliarden die zugriff auf das Internet haben. Theoretisch könnte ich von China aus hier rum stalken.

     

    Ausserdem, wer überprüft ob ein Name stimmt? Muss man sich dann mit Pass anmelden? Und wenn ich aus Amerika komme, ist mein Pass von dort - wenn ich denn einen habe - hier zum Einloggen gültig?

     

    Nein, anonymes stalken oder den Anderen nerven ist einfach auch illegal möglich. Es ist ein Trugschluss zu glauben, es könnte überhaupt möglich sein, Fakes zu verhindern.

     

    Weiterhin gibt es auch leider die Angst einiger, bei der Meinungsäusserung mit Klarnamen Nachteile zu erleiden. Gut, ob die Beleidigungen gegen den Mercedes Chef auf Facebook nun noch Meinungsfreiheit waren sei mal dahin gestellt. Aber nehmen wir an, Daimler würde gezielt nach seinen Mitarbeitern auf der "Kein Stuttgart 21" Seite suchen. Würden diese noch ihre Klarnamen dort sehen wollen?

     

    Anonymität ist auch Schutz.

     

    Diese Freiheit sollten wir genießen und nicht versuchen dies einzuschränken - was technisch wie gesagt eh nicht funktioniert.

  • D
    Dice

    "Auf der Straße tragen wir kein Namensschild."

     

    Sehr richtig! Wer würde noch zu Karstadt gehen, wenn er am Eingang seinen Personalausweis erfassen lassen müsste?

     

    "Auf einer öffentlichen Veranstaltung würde er doch hinstehen müssen ("Hallo, ich bin der Axel") - und Gesicht zeigen."

     

    Falsch! Wer von sich sagt, er sei der Axel, bleibt deshalb trotzdem anonym. Er kann ja auch Kurt heißen. Und sein Gesicht sollte es auch bleiben dürfen, deshalb muss diese idiotische Gesichtserkennung unbedingt verboten werden.

     

    Christian Füller hat genau ein Problem: Dass er selbst nicht anonym im Netz unterwegs war. Nur deshalb kann er verfolgt werden - das sollte ihm eigentlich zu denken geben.

  • FI
    Füller ich kann sehen

    was du schreibst !

     

    Wenn jeder seinen Namen überall angeben muss, dann wird es wesentlich mehr solche Fälle geben wie sie Herr Füller beschreibt, und es gibt auch sicherlich einige bei denen sich solches Verhalten nicht auf Online-Aktivität beschränkt.

     

    Wenn man sich mal zu extremistischen oder gar gewaltbereiten Gruppierungen äussert stellt man sich dann am besten vor das man in einer nicht ganz so offenen Gesellschaft lebt, wo diese schon an der Macht sind.

  • JR
    Jan Reyberg

    Behindert freien Diskurs. Es muss auch vergessen werden könnnen.

  • J
    Jan

    Die Contra-Seite widerspricht der Pro-Seite direkt, wenn es um die Namensnennung in der (Halb-)Oeffentlichkeit geht.

    Wer sich bei einer Podiumsdiskussion aus dem Publikum zu Wort meldet, muss sich nicht vorstellen. Erst recht nicht mit nachweislich echtem Namen.

    Das Internet ist in der Lage, Wikipedia-Vandalen zu verkraften. Draussen auf der Strasse klauen Leute Strassenschilder, die pro Stueck 50-200 Euro kosten. Einen Wikipedia-Artikel auf die Version von gestern Abend zu setzen, kostet zwei Mausklicks - genau wie einen Kommentar durch "[ Kommentar von der Red. entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. ]" zu ersetzen, bei ZEIT online klappt das auch.

    Man kann sich auch in einer Gruppe treffen und konstruktive Debatten fuehren, ohne die (echten) Namen der Gespraechspartner zu kennen. Ein Gesicht ist in der Hinsicht so viel wert wie ein Pseudonym - und das ist genau das Kernthema. Es geht nicht um Anonymitaet im Netz, die haben wir sowieso kaum. Es geht und Pseudonymitaet.

  • PM
    Prinzessin Manfred

    "Nicht nur für die bürgerliche Gesellschaft ist das konstitutiv, auch der Diskurs in Parlamenten, Versammlungen und zu Tisch, kennt kein anderes Prinzip: Zu "ich spreche" gehört notwendig das Ich. Wieso sollte diese Ratio der Aufklärung für das Netz nicht gelten?"

     

    Schön, wenn sich Fragen so einfach beantworten lassen: Weil zum Beispiel das Gespräch am Tisch nicht dauerhaft und für jede_n öffentlich einsehbar gespeichert wird. Wenn in Zukunft z.B. jeder potentielle Vermieter und jede potentielle Arbeitgeberin googeln kann, welche politische Meinung die Bewerber_innen haben, werden nur die Leute mit der eh schon herrschenden Meinung es sich leisten können, diese zu vertreten.

     

    Eine Liste mit Ideen, wer alles von einem Real-Namen-Zwang eingeschränkt gibt es z.B. hier: http://geekfeminism.wikia.com/wiki/Who_is_harmed_by_a_%22Real_Names%22_policy%3F (auf englisch). Es handelt sich hier nicht um "einige wenige Ausnahmen", würde es diese nicht weniger schützenswert machen.

  • T
    Toaotc

    …das halte ich für Unsinn!

    Wenn das Argument gut ist, dann ist das Pseudonym doch erst einmal irrelevant.

     

    Wenn ich mehr Gewicht in eine Aussage legen möchte, ist es natürlich effektiver, selbige mit einer integren Identität zu schmücken, was wiederum darauf schließen ließe, das ich ein sehr persönliches Interesse an der Sache habe.

     

    Die Nichtgewichtung eines Standpunktes mit einer mehr oder weniger prominenten Identität könnte man somit auch als Uneigennutz bewerten.