piwik no script img

Pro & Contra zum Oranienplatz IIDieser Vorschlag ist feige

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Der Senat hat eine Scheinlösung präsentiert, die nur dazu dient, den Ruf der Senatoren Kolat und Henkel wiederherzustellen.

Werden auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg bald keine Hütten mehr stehen? Bild: dpa

E s ist eine Scheinlösung, die der Senat da präsentiert: Sie dient dazu, den Ruf der Senatoren Kolat und Henkel wiederherzustellen. Kolat, einst Hoffnungsträgerin der Berliner SPD, hätte nach wochenlangen Verhandlungen ihr Gesicht verloren, hätte sie schließlich ohne Ergebnis dagestanden.

Henkel wiederum, der sich gern als harter Hund präsentiert, ist am Oranienplatz schon einmal gescheitert: Sein Ultimatum für eine Räumung konnte er nicht durchsetzen. Hätte er nun wieder mit leeren Händen dagestanden, wäre er in seiner Partei unten durch gewesen.

Doch dass der Oranienplatz nun friedlich geräumt wird, dass die Flüchtlingsproteste zu Ende gehen, ist längst nicht gesagt. An der Stelle, an der es brenzlig wird, überlässt der Senat die Protestierenden perfiderweise sich selbst: Eine Lösung für alle Flüchtlinge vom Oranienplatz hat er nicht präsentiert. Die müssen sie nun selbst finden.

Aufhetzen der Flüchtlinge

Im Klartext heißt das, dass die Flüchtlinge gegeneinander aufgehetzt werden. Die Mehrheit muss die Minderheit – rund 400 gegen mindestens 27 Menschen – dazu bringen, den Protest aufzugeben, die Zelte abzubauen und für sich auf jegliche Perspektive zu verzichten. Erst wenn das passiert ist, darf die Mehrheit auch die Versprechen in Anspruch nehmen, die ihr wie im Schlaraffenland präsentiert werden.

Es ist feige, was Kolat und Henkel hier präsentieren: Es geht vor allem um ihre eigene politische Zukunft. Wozu es führt, was es mit der Gruppe von Menschen macht, die seit Jahren um ein Leben kämpfen, ist nicht absehbar. Das Gesicht, das der Senat hier zu wahren versucht, hat er längst verloren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Dieser Kommentar ist feige, weil er sich um Tatsachen herumdrückt, die die Autorin eigentlich kennen müsste:

    1. Das Prinzip „erst Liefern, dann Gehenleistung“ hat seinen guten Grund. Es gab bereits einen gescheiterten Deal, bei dem die Schlafzelte auf dem Platz abgebaut werden sollten. Diese scheiterte unter anderem daran, dass die Unterstützer diese Lösung hintertrieben. Liebe Frau Hecht: Welche Fähigkeit Kompromisse einzugehen und Abmachungen zu halten, trauen Sie den Unterstützern und dem radikalisierten Teil der Flüchtlinge zu?

    2. Frau Hecht, war es nicht so, dass gerade der harte Kern, immer wieder eine gemeinsame Lösung als Gruppe gefordert hatte? Und sich nun nicht an eine solche halten will?

    3. Frau Hecht, Sie lassen gezielt die Beweggründe des radikalen Teils der Flüchtlinge außen vor. Ihnen geht es um Abschaffung der Grenzen, kurzfristig um sofortiges Arbeitsrecht und Unterbringung in Wohnungen. Nun enthalten Sie sich auch jeder Aussage darüber, wie diese Forderungen erfüllt werden könnten. Ebenso lesen wir nichts, wie Sie selbst zu diesen Forderungen stehen. Selbst die linksradikalen Untererstützer wissen, dass hier kurzfristig nichts zu machen ist. Sie streben möglichst viele rechtsfreie Räume an nach dem Muster des O-Platzes oder einen Exit in einem größtmöglichen Krawall. Eine friedliche Lösung wäre für sie eine gigantische Niederlage und man kann davon ausgehen, dass sie nun Anlässe suchen, um die Situation zu eskalieren.

    Zu alle dem schreiben Sie nichts! Ihr Kommentar ist ein trauriger Tiefpunkt innerhalb der TAZ.

    Liebe Frau Hecht, was Sie hier betreiben ist eine Scheinanalyse. Es wird substanzlos von „Aufhetzen der Flüchtlinge“ geredet und letztlich der nächste Krawall ideologisch vorbereitet. Danke Frau Hecht, dann ist in meinem Kiez endlich wieder etwa los!

    • @XBurger:

      Nein, ganz im Gegenteil: Der Kommentar von Frau Hecht ist erfrischend mutig. Bei dem damaligen Räumungsversuch wurde vorgeschoben, es gäbe eine Einigung. Dies war nicht der Fall! Es gab lediglich eine Unterbringung für einen bestimmten Teil der Bewohner des Oranienplatzes. Verhandlungen hatten gar nicht statt gefunden. Tatsächlich versuchte die frisch gebackene Bezirksbürgermeisterin Hermann nur, das Problem los zu werden. Die aktuellen Verhandlungsergebnisse sind absolut inakzeptabel und bieten übrigens nichts, was auch nur ansatzweise neu wäre. Die Flüchtlinge sollen hier über den Tisch gezogen werden, indem einmal mehr ein Spaltungsversuch unternommen wird.