Pro & Contra in eigener Sache: Streit um Korrespondenten-Honorare
Darf die taz ihren KorrespondentInnen im Ausland die Pauschale kürzen? Eine Neuverteilung ist notwendig, sagt Ines Pohl. Der Auslandsetat muss aufgestockt werden, entgegnet Gerhard Dilger.
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P ro:
Die taz ist anders als andere Zeitungen: Sie gehört keinem Verleger oder Konzern, sondern ihren MitarbeiterInnen und GenossInnen. Wenn sie ihre Kosten im Griff behalten muss, dann nicht, weil Gewinne für Shareholder oder Eigentümer abgeschöpft werden sollen - sondern damit es die taz weiter geben kann. Auch unsere Unternehmenskultur ist anders: Mit viel Mitbestimmung, Konfliktfreude und Transparenz tragen wir unseren Streit über die Bezahlung unserer KorrespondentInnen im Ausland auch in aller Öffentlichkeit aus.
In enger Absprache mit dem Auslandsressort haben wir, die Chefredakteure der taz, uns vorgenommen, den Einsatz unserer beschränkten finanziellen Mittel zu überprüfen. Die Auslandsberichterstattung ist und bleibt ein Kernelement der taz. Deshalb wird ihr Etat, der immerhin ein Fünftel des Gesamtetats unserer Zeitung ausmacht, auch nicht gekürzt. Was wir aber verändern, ist die Art und Weise, wie deren Pauschalen verteilt werden sollen.
Wir verfolgen dabei zwei Ziele: Die Auslandsredaktion soll in der Lage sein, gemeinsam mit den KorrespondentInnen auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Es kann nicht sein, dass keine Korrespondentenreise ohne Gelder anderer Medien finanziert werden kann. Und die Bezahlung der PauschalistInnen soll gerechter verteilt werden: Für gleiche Arbeit wollen wir gleiches Geld zahlen.
Da der Etat nicht die Chance bietet, beides durch Aufstockung hinzubekommen, müssen wir umverteilen. Wir wissen, dass diese Entscheidung für Einzelne schmerzhaft ist: im Schnitt bekommen sie von der taz künftig 15 Prozent weniger Einnahmen. Um Härten abzumildern, werden wir Übergangslösungen für jene aushandeln, die am stärksten betroffen sind. Außerdem wollen wir einen "Verein für die FreundInnen der taz-Auslandsberichterstattung" gründen, um Geld zu akquirieren.
Eine Chefredaktion hat die Aufgabe, eine Zeitung in die Zukunft zu tragen. Das gilt auch für die taz mit ihrer besonderen Geschichte und ihren besonderen Strukturen.Ines Pohl
INES POHL
ist Chefredakteurin der taz
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Contra:
Die Auslandsberichterstattung gehört seit je zu den Aushängeschildern der taz. Auch wir 32 AuslandskorrespondentInnen wollen, dass das so bleibt. Streit gibt es über den richtigen Weg.
Erstmals hat man uns im April 2009 mit dem strukturellen Defizit des Auslandsetats konfrontiert. Zwei Gründe haben dazu geführt: Es wurde eine neue, notwendige Redakteursstelle eingerichtet - und in der taz findet "mehr Ausland" statt, vor allem auf den Schwerpunktseiten. Die Folge: Von 2007 bis 2009 sind die Kosten für jene Auslandstexte, die außerhalb unserer Basispauschalen geschrieben werden, um ein Fünftel gestiegen.
Im Februar wurde 14 PauschalistInnen deshalb ultimativ mit Änderungskündigungen gedroht. In monatelangen Gesprächen kam uns die Chefredaktion in keinem einzigen Punkt entgegen, während wir konkrete Sparvorschläge vorlegten. Im Juli wurde uns gekündigt und Folgeverträge ab November in Aussicht gestellt, die für neun von uns Einkommenseinbußen von 18 bis 28 Prozent bedeuten.
Der Auslandsetat soll also auf dem Rücken langjähriger Mitarbeiter saniert werden: Zum einen verdienen sie so viel, dass sich die Kürzungen auch "lohnen", zum anderen scheinen sie wegen ihres umstrittenen arbeitsrechtlichen Status relativ wehrlos. So gehen defizitäre Betriebe gerne vor. Abstrus aber, dass es ausgerechnet in einem Jahr passieren soll, in dem die taz schwarze Zahlen schreibt.
Publizistisch geht dieser Ansatz vollends nach hinten los. Künftig sollen die Betroffenen für weniger Geld mehr arbeiten. Ja, man fordert sie sogar auf, sich nach alternativen Verdienstmöglichkeiten umzutun! Nun wird aber überall an der Auslandsberichterstattung gespart. Doch guter Journalismus ist zu Dumpingpreisen nicht zu haben. Warum sollte die taz, die vor 31 Jahren angetreten war, vieles anders zu machen als andere Zeitungen, der Konkurrenz ausgerechnet in ihrem Niedergang nacheifern?
Die geplante Gründung eines Recherchefonds begrüßen wir. Nun müssen die Kündigungen zurückgenommen und der Auslandsetat aufgestockt werden.
GERHARD DILGER
ist Korrespondent der taz für Südamerika
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