Privatkreditaffäre des Bundespräsidenten: Buddy-Affäre in Bellevue
Die Kanzlerin stellt sich in der Kreditaffäre hinter Wulff - doch intern ist man in der Union entsetzt. Ihm scheint das Gespür für die Würde des Amtes zu fehlen.

BERLIN taz |Der Bundespräsident gerät wegen des privaten Kredits, den ihm eine befreundete Unternehmergattin gewährte, stärker unter Druck. Die Grünen in Niedersachsen wollen prüfen lassen, ob Christian Wulff als Regierungschef des Landes gegen das Gesetz verstoßen haben könnte. "Die Vorwürfe gegen den Inhaber des obersten Staatsamtes wiegen schwer und sollten schnellstmöglich zu einer Klärung gebracht werden", sagte Landtagsfraktionschef Stefan Wenzel.
Die Grünen beziehen sich dabei auf einen Paragrafen, der es Mitgliedern der Landesregierung verbietet, "Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihr Amt" anzunehmen. "Es stellt sich die Frage, ob der jetzt bekannt gewordenen Kredit darunter fällt", sagte Wenzel. Die Grünen schlagen vor, den Ältestenrat des Landtages mit der Prüfung der Vorwürfe gegen Wulff zu beauftragten - und sie verlangen in einer parlamentarischen Anfrage mehr Informationen.
Viele Fragen sind noch offen bei Wulffs Buddy-Affäre: Am Dienstag war bekannt geworden, dass Wulff 2008 als Ministerpräsident einen Privatkredit über eine halbe Million Euro von der Frau des mit ihm befreundeten Unternehmers Egon Geerkens erhalten hatte. Mit dem Geld kaufte Wulff laut seinem Sprecher ein Haus für sich und seine Frau in Burgwedel, als Zinssatz seien 4 Prozent vereinbart, fällige Zinsen fristgerecht bezahlt worden.
Kreditumschichtung zur BW-Bank
Der Vorteil des Freundschaftskredits für Wulff: Damals lagen die Zinsen bei Banken höher. Geerkens wiederum reiste drei Mal in der Delegation Wulffs ins Ausland mit, wobei er die Reisen selbst bezahlte. Der Unternehmer und Wulff-Freund Egon Geerkens erzählte Spiegel Online weitere Einzelheiten.
Die Wulffs durften das Darlehen jederzeit vorzeitig tilgen, sollten sie eine günstigere Bankfinanzierung finden, sagte er. "Das war ein Zugeständnis." Und: Im Juni 2010 machte Wulff von dieser Möglichkeit Gebrauch - weil er laut Geerkens ein "erheblich besseres Angebot" der BW-Bank erhalten habe, die zur Landesbank Baden-Württemberg gehört.
Der Zeitpunkt dieser Umschuldung fällt genau in die Zeit, als Wulff sich fürs Präsidentenamt bewarb. Zufall? "Man muss den Eindruck haben, dass er nach Wegen suchte, seine Schulden anders und unangreifbar zu finanzieren", sagt der Grüne Wenzel. Und auch in der Union vermutet mancher hinter vorgehaltener Hand, Wulff habe angesichts des Karrieresprungs schlicht kalte Füße bekommen.
Auch wenn die Koalition offiziell bemüht ist, das Thema herunterzukochen, wird Wulff intern scharf kritisiert. "Über diese Stillosigkeit sind hier viele entsetzt", heißt es in der Unionsfraktion. "Wulff besitzt kein Sensorium für die Würde seines Amtes, sondern benimmt sich wie ein schummelnder Steuerzahler." Die Kanzlerin stellte sich dagegen demonstrativ hinter den Bundespräsidenten. Sie habe "volles Vertrauen" zu Wulff, ließ Angela Merkel ausrichten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden