Private Klinikbranche: Neue Jobs zu schlechteren Konditionen
Der Helios-Konzern kündigt 1.000 Beschäftigten in Rehakliniken. Mitarbeiter von anderen Häusern, die vor der Übernahme stehen, dürften den Wink verstehen.
HAMBURG taz | Die Erbitterung war den Mitarbeitern der Zentralen Service Gesellschaft (ZSG) des norddeutschen Klinikunternehmens Damp anzusehen. Sie hatten sich am Mittwoch auf Einladung der Gewerkschaft Ver.di in einem Café im Hamburger Stadtteil St. Georg versammelt. „Wir kämpfen um unsere nackte Existenz und wollen nicht mehr für Hungerlöhne arbeiten“, sagte ein Betroffener der taz.
Den ZSG-Mitarbeitern war vergangene Woche zum 31. Juli gekündigt worden. Sie hatten in einer Urabstimmung im Konflikt um einen neuen Haustarifvertrag für 5.600 Mitarbeiter in den norddeutschen Kliniken für Streik votiert. 1.000 Servicebeschäftigte in den acht norddeutschen Damp-Reha-Einrichtungen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hat der neue Eigentümer Helios vor die Tür gesetzt – es sei bald keine Arbeit mehr vorhanden. Die Damp-Gruppe hat gut 2.500 Betten.
Doch die Mitarbeiter in den Krankenhäusern der gesamten Republik dürften dieses Signal nicht überhören. Denn offenbar strebt der Berliner Krankenhauskonzern Helios GmbH, der zum US-Unternehmen Fresenius gehört, die Marktführerschaft in der privaten Klinikbranche an, die rund ein Drittel der deutschen Krankenhäuser umfasst.
Seit Wochen wirbt Fresenius mit großformatigen Anzeigen bei Aktionären des Rhön-Klinikums dafür, mit 52 Prozent Gewinn ihre Aktien an den 63 Kliniken und 43 Versorgungszentren in ganz Deutschland abzustoßen. Damit wäre das Fresenius/Helios-Konglomerat der größte private Krankenhauskonzern Deutschlands.
Wie Helios in Zukunft bei den übernommenen Kliniken vorgehen wird, lässt sich am Damp-Beispiel gut ablesen: Den gekündigten Mitarbeitern werden neue Jobs in neuen Service-Einrichtungen zu deutlich schlechteren Konditionen angeboten. Ver.di warnt davor, sie anzunehmen: „Die Kündigungen sind eindeutig rechtswidrig, weil der Betriebsrat nicht gehört wurde“, sagt Ver.di-Bundesvorständlerin Ellen Paschke. Mit kurzfristig angesetzten Bewerbungsgesprächen sollten die Leute bloß unter Druck gesetzt werden, erklärt Ver.di-Verhandlungsführer Oliver Dilcher.
Bei der Übernahme der Rhön-Kliniken, des bislang wichtigsten Konkurrenten von Helios, ist den US-Amerikanern ganz aktuell freilich ein bislang nicht ernst genommener Gegner dazwischengegrätscht. Der hessische Krankenhauskonzern Asklepios, dem in Hamburg alle ehemals städtischen Krankenhäuser gehören, kauft ebenfalls Aktien auf. Bisher konnte Fresenius nur 37 Prozent des Rhön-Grundkapitals erwerben.
Der Streik bei Damp wird diese Woche Donnerstag und Freitag fortgeführt, Samstag soll es eine Kundgebung in Kiel geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist