Prinzessinnengärten bedroht: Blutgrätsche gegen das Kompostklo
Umweltstadtrat versus Urban Gardening: Ein Ex-AfD-Stadtrat geht gegen einen Gemeinschaftsgarten in Berlin-Neukölln vor.
Der Ort ist insbesondere jetzt ein Geheimtipp, wenn man unter Einhaltung von Mindestabstand spazieren gehen will oder – je nach geltender Rechtslage – heimlich ein Buch im Freien lesen möchte. Für Kinder ist das verwunschene Unterholz dank Büschen, Bäumen und Erdhügeln besser, als es ein gesperrter Spielplatz je sein könnte.
Im vergangenen Jahr hat sich das Gemeinschaftsgarten-Kollektiv Nomadisch Grün von den Prinzessinnengärten hier niedergelassen. Seitdem gibt es hier auch auch Hochbeete, ein Feld mit Kohl, eine Komposttoillete, Unterstände für Gartengeräte und ein paar Dinge mehr, die für alle zugänglich sind. Mitgärtnern und vor allem ernten darf ausdrücklich jede:r.
Laut Kollektiv gibt es einen fünfjährigen Pachtvertrag mit der evangelischen Friedhofsverwaltung, der sich automatisch verlängert – mit 30-jähriger Perspektive. Ein Glücksfall für Anwohner:innen und die Garantie, dass die Naturfläche auf lange Sicht erhalten bleibt.
Teures Kompostklo
Umso erstaunlicher also, dass ein Umweltstadtrat jetzt zur Blutgrätsche gegen den Gemeinschaftsgarten ansetzt: Bernward Eberenz (gewählt für die AfD, aber übergelaufen zur CDU) sieht in Unterständen und Bauwägen, Hochbeeten und nicht zuletzt einer Komposttoilette aus Holz unzulässige Eingriffe in den Landschaftsplan von 1993. Deswegen erließ das Umweltamt Neukölln Rückbauanordnungen für weite Teile der Infrastruktur des Gemeinschaftsgartens – unter Androhung einer Strafe von 30.000 Euro.
Die Gemeinschaftsgärtner sprechen von Schikanen. Dauernd schicke der umtriebige Ex-AfDler mit fadenscheinigen Begründungen Abmahnungen. Eberenz wiederum behauptet, das Gartenkollektiv hielte sich nicht an Abmachungen und gefährde schützenswerte Biotope.
Welche Position in Neukölln mehr Zuspruch hat, zeigt eine vom Gemeinschaftsgarten gestartete Petition, die binnen kürzester Zeit fast schon 5.000 Unterschriften hat. Die Friedhofsverwaltung hat Widerspruch gegen die Anordnung eingelegt. Wenn diese scheitert, will der Verband klagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen