Priesteranwärter in Belgien: "Screening" für Pädophilie

Um sexuellen Missbrauch künftig auszuschließen, schickt Belgiens Katholische Kirche Priesteranwärter zu Psychotests. Einer der zuständigen Psychologen fordert, das Zölibat zu überdenken.

Bevor ein Priester in Belgien die Weihrauchkugel schwingen darf, wird er erstmal auf andere Schwingungen geprüft. Bild: ap

BRÜSSEL afp | Katholische Priesteranwärter müssen sich in Belgien künftig psychologischen Tests unterziehen, um späteren Kindesmissbrauch auszuschließen. Die Kirche will so pädophilen Neigungen auf die Schliche kommen, wie Primas André Joseph Léonard am Montagabend im flämischen Fernsehen ankündigte. Dabei soll es nach den Worten eines Psychologen vor allem um den Zölibat und die mögliche Angst vor der eigenen Sexualität gehen.

"Die Kirche muss die Kinder besser schützen", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, André Joseph Léonard, dem flämischen Fernsehsender VTM. Die Männer sollten "gescreent" werden, führte der als erzkonservativer Sittenhüter geltende belgische Primas aus.

Dazu werde zu Beginn der Ausbildung ein psychologisches Profil erstellt. In der Folge sollen die Seminaristen spezielle Sitzungen mit Psychologen absolvieren. Das erklärte Ziel der Kirche ist, dass es unter den Priestern keine Pädophilen gibt.

"Ich werde hauptsächlich die Frage des Zölibats anschneiden", kündigte einer der mit den Tests beauftragten Psychologen, Jozef Corveleyn, am Dienstag in der flämischen Zeitung De Standaard an. "Diese jungen Leute sind kaum aus dem Jugendalter heraus und der Zölibat ist eine schwierige Entscheidung", erläuterte der Professor der Katholischen Universität Löwen.

"Ich möchte wissen, ob sie den Weg des Priestertums nicht zum Beispiel aus Angst vor Sexualität oder Intimität gewählt haben", sagte Corveleyn der Zeitung. Generell solle der Zölibat überdacht werden, forderte der Psychologe.

Klage gegen Kirchenspitze

Wie in anderen Ländern ist auch Belgiens katholische Kirche von einer Welle von Enthüllungen und Anschuldigungen über Kindesmissbrauch erschüttert worden. Eine vergangenes Jahr eingerichtete Untersuchungskommission erhielt Hunderte von Zuschriften von Menschen, die berichteten, Opfer von Missbrauch durch Kirchen-Angehörige geworden zu sein.

Besonders große Erschütterung erregte der Fall des Bischofs von Brügge, Roger Vangheluwe. Dieser musste im April 2010 wegen sexuellen Missbrauchs an seinem eigenen Neffen sein Amt aufgeben. Der Vatikan wies Vangheluwe später an, sich für eine "spirituelle und psychologische Behandlung" in eine kirchliche Gemeinde nach Frankreich zu begeben.

Diese verließ Vangheluwe nach Angaben der leitenden Schwester im April. Zuvor hatte er öffentlich den Missbrauch eines weiteren Neffen gestanden und im Fernsehen gesagt, er habe "überhaupt nicht den Eindruck, ein Pädophiler zu sein".

Unterdessen reichten am Freitag etwa 70 mutmaßliche Opfer Klage gegen die Kirchenspitze in Belgien und gegen den Heiligen Stuhl in Rom ein. Vor dem Gericht im nordbelgischen Gent werfen sie den Verantwortlichen vor, dass sie Missbrauch nicht verhindert oder sogar zu vertuschen versucht hätten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.