Presserat im deutsch-britischen Vergleich: Regulierte Selbstkontrolle
Die britische Medienaufsicht soll mehr Macht bekommen. Richter Levesons Vorschlag würde bei deutschen Zeitungsmachern eher schlecht ankommen.
BERLIN taz | Eigentlich könnten sich die britischen Zeitungen heute wieder einmal prächtig über die Deutschen aufregen. Denn die von Lordrichter Brian Leveson vorgeschlagenen, künftig etwas engeren Spielregeln für die Presse folgen einem hierzulande üblichen Modell der Medienaufsicht.
Wie viele deutsche Ideen hat es einen fürchterlichen Namen – es heißt regulierte Ko-Regulierung – und wird unter anderem beim Jugendschutz angewandt. Gesetze und andere Vorschriften eröffnen einen Spielraum mit klaren Grenzen, in dessen Rahmen sich dann die Branche selbst reguliert. Die Freiwillige Selbstkontrolle Film (FSK) beispielsweise gehört dazu.
Brennt dort etwas an oder geht ganz grundsätzlich in die Hose, übernimmt wieder der Gesetzgeber. Allein: In Deutschland findet regulierte Ko-Regulierung nur im Bereich Film, Fernsehen und Internet statt – und auch dort nur beschränkt auf Einzelaspekte wie Menschenwürde, Gewaltverherrlichung oder eben Jugendschutz.
Die Presse fällt nicht darunter. Außerdem haben in Deutschland Branchenvertreter erheblichen Einfluss bei dieser Form der Selbstkontrolle – was Leveson ausdrücklich verhindern will: „Weder die Politik noch die Branche sollen bei dem neuen Regulierer Einfluss haben.“
Deutsche ChefredakteurInnen und erst recht Verleger würden die von Leveson gestern vorgeschlagenen Maßnahmen daher wohl überwiegend ablehnen. Zum einen, weil ein solcher neuer, deutlich gestärkter Presse-Wachhund nach britischem Vorbild erheblich mehr Sanktionsmöglichkeiten hätte als der Deutsche Presserat. Der ist ein von Verlegern und Journalistengewerkschaften paritätisch besetztes Gremium, das den Pressekodex formuliert und über seine Einhaltung wacht.
Nette kleine Prangerfunktion
Der Presserat wird allerdings nur auf Anfrage aktiv und hat als schärfste Waffe die Presseratsrüge: Wird bei einem Beitrag ein Verstoß gegen den Pressekodex festgestellt, muss das gerügte Blatt die Rüge veröffentlichen. Passiert das allerdings nicht, passiert auch nichts: Außer dieser netten kleinen Prangerfunktion hat der Presserat keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten.
Damit entspricht er ziemlich genau der Press Complaints Commission (PCC), die bislang in Großbritannien über die Zeitungen wachte – und die nach Einschätzung der Leveson Inquiry auf ganzer Linie versagt hat. Dabei ist die Begründung interessant: Gerade weil der PCC Sanktionsmöglichkeiten fehlten, habe sie bei den Vorwürfen gegen die bunten Blätter des Medienzaren Rupert Murdoch nicht weiterermittelt.
Nun soll ein neuer britischer Watchdog also Strafen von bis zu einer Million Pfund (umgerechnet knapp 1,25 Millionen Euro) verhängen dürfen. In Zeiten, in denen Verlage von Auflagen- und Anzeigenschwund gebeutelt sind, kommt das gar nicht gut – weder in Großbritannien noch hierzulande.
Geteilte Meinungen
Dass überhaupt eine – wenn auch staatsferne – offizielle Regulierung der Presse kommen soll, entzweit die britische Medienwelt. „Die Menschen können selbst die Presse bewerten, sie können TV-Debatten bewerten und selbst entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen“, schreibt Kommentator David Aaronovitch auf der Website der zum Murdoch-Imperium gehörenden Times und spielt damit auch auf die Kosten an, die solch ein großer neuer, steuerfinanzierter, Regulierer mit sich brächte.
Andere sehen das genau anders herum: Schließlich sei die Presse um eine direkte Aufsicht herumgekommen, Leveson halte doch eher am Status quo mit ein paar kleinen Änderungen fest, hieß im Lager der Strenge-Regeln-Befürworter.
Der Deutsche Presserat konnte sich gestern noch nicht zu den neuen Vorschlägen aus London äußern. „Aber wir sagen bestimmt etwas dazu“, vertröstete eine Sprecherin. Am Donnerstag tagte die Presseratsspitze aber den ganzen Tag zu einem auch im 2.000-Seiten-Bericht der Leveson Inquiry immer wieder vorkommenden Thema. Es ging um das Persönlichkeitsrecht.
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