Pressefreiheit in der Ukraine: Jagd auf Journalisten
Rechtsradikale verletzen einen Kameramann in Charkiw schwer. Örtliche Medienvertreter trauen den Ermittlungen nicht.
Auch der Charkiwer Journalist Alexander Kostenko spricht gegenüber der taz von einer Beteiligung stadtbekannter Rechtsradikaler an der Jagd auf den Journalisten. Kaum auf der Intensivstation eines Charkiwer Krankenhauses angekommen, habe Makarjuk infolge innerer Blutungen einen hämorrhagischen Schlaganfall erlitten, so die Menschenrechtsgruppe Charkiw. Die Täter hatten es offensichtlich auf den Datenträger der Kamera abgesehen. Dieser war bei dem Überfall entwendet worden.
Makarjuks Kollegen sind sich sicher, dass der Überfall in direktem Zusammenhang mit dessen Arbeit als Journalist und Kameramann steht. Makarjuks Aufgabe war es, einen Konflikt auf diesem Markt zu beleuchten. In diesem Konflikt stehen sich einige Besitzer von Marktständen und die Marktleitung feindlich gegenüber. Immer wieder mischt sich auch der rechtsradikale „Nationale Corps“ in die Streitigkeiten ein.
Der Überfall auf Makarjuk, so die Journalistenvereinigung von Charkiw in einem Schreiben, sei nicht der erste Gewaltakt in der Stadt gegen einen Journalisten. So wurde im Juli 2017 das Auto des Chefredakteurs der Insider News, Igor Rusin, in Brand gesteckt, im November 2018 hatte ein Mitglied der Gruppe „Freicorps“ eine Journalistin von News One mit Gewalt an einer Übertragung gehindert. Vor neun Jahren war der Chefredakteur der Zeitung Neuer Stil, Wasili Klementjew, verschwunden. Wahrscheinlich wurde er ermordet.
Charkiws Journalisten trauen den Ermittlungen der Polizei nicht. „Am Sonntag hatte Vadim Makarjuk seinen 36. Geburtstag. Wir Journalisten haben uns alle getroffen, ohne Vadim. Und wir haben beschlossen, gemeinsam durch eigene Ermittlungen herauszufinden, was wirklich los war an diesem 9. Juni“, sagt Alexander Kostenko. Inzwischen haben die Journalisten eine eigene Telefonnummer eingerichtet, unter der sich Zeugen des Vorfalls rund um die Uhr melden können. „Ich wünschte mir eine bessere Polizeiarbeit“, so Kostenko weiter. Die Polizei habe sich sowohl zum Zeitpunkt der Tat als auch danach sehr passiv verhalten. Immerhin habe eine Gruppe von über zehn Menschen einen Journalisten gejagt, sogar auf ihn geschossen. Bei allen Gewalttaten gegen Journalisten in der Stadt Charkiw, so Kostenko, könne die Polizei kaum Ermittlungsergebnisse vorweisen.
Kein Vertrauen in die Polizeiarbeit
Auch sein Kollege Dmytro Bulach hat kein Vertrauen in die Polizeiarbeit. „Wenn wir es nicht schaffen, die richtigen Zeugen zu finden, wird die Polizei die Sache im Sande verlaufen lassen“, sagt er. Der Journalist Taras Tarasow glaubt, Makarjuk habe gewusst, welches Risiko er einging, als er sich entschlossen habe, auf dem Markt zu filmen. Es sei klar gewesen, dass seine Aufnahmen auch für strafrechtliche Ermittlungen benutzt werden können. Und Wadims Einsatz auf dem Markt sei nicht der erste riskante Auftrag gewesen, den er übernommen habe, so Tarasow.
In einer Presseerklärung weist die Polizei von Charkiw die Vorwürfe, sie habe kaum etwas unternommen, zurück. Man habe eine eigene Sonderkommission eingerichtet, über hundert Zeugen befragt und zahlreiche Gutachten anfertigen lassen. Am gestrigen Montag habe man einen 26-jährigen Verdächtigen festgenommen. Im Fall seiner Verurteilung müsse dieser mit einer Haftstrafe von sieben Jahren rechnen.
Unterdessen hat Harlem Désir, OSZE-Beauftragter für die Freiheit der Medien, den Überfall auf den Kameramann Vadim Makarjuk scharf verurteilt. „Ich fordere die Behörden auf, alles zu tun, um die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen“, so Désir. Anfang Mai war der ukrainische Enthüllungsjournalist Vadim Komarow in Tscherkassy überfallen worden. Er liegt immer noch im Koma.
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