Pressefreiheit in der Türkei: Messengerdienst gilt als Beweis
9 Journalisten wurden am Donnerstag in Istanbul festgenommen. Sie nutzten die gleiche App wie Gülenisten und werden nun der Terrormitgliedschaft beschuldigt.
Am Donnerstag Morgen wurden bei Razzien in Istanbul 9 von 35 Journalisten festgenommen, gegen die kürzlich Haftbefehl erlassen wurde. Die Medienschaffenden würden laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr in Verbindung gebracht werden. Ihnen wird außerdem die Mitgliedschaft in einer „bewaffneten terroristischen Organisation“ vorgeworfen. Die Haftbefehle und Razzien seien ein Teil der Ermittlungen gegen den Medienarm der Gülen-Bewegung, so die Regierung in einer offiziellen Stellungnahme.
Unter den Festgenommen befindet sich auch Burak Ekici, der seit einem Jahr als Onlineredakteur für die linke Tageszeitung BirGün tätig ist. Ihm wird zu Last gelegt den Messengerdienst „ByLock“ verwendet zu haben. Der 26-jährige Redakteur twitterte seine Festnahme und teilte mit, dass er auf ein Polizeipräsidium im Istanbuler Bezirk Fatih gebracht wird.
„ByLock“ sei die App der Gülen-Bewegung
Die App „ByLock“ soll von den Mitgliedern der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zur Kommunikation benutzt worden sein. Fethullah Gülen, Oberhaupt der Gülen-Bewegung, die als Terrororganisation gelistet ist, lebt seit 1999 im amerikanischen Exil. Er wird als Initiator des gescheiterten Putschversuchs vom 15. Juli 2016 betrachtet. Gegen ihn und mehr als 400 weitere vermeintliche Putschisten läuft seit dem 1. August ein Gerichtsverfahren in Ankara.
1972 geborener Journalist. Nach Tätigkeiten für die Tageszeitungen Milliyet, Sabah und Cumhuriyet begann er als Reporter für die 'Zeitung Birgün zu arbeiten, wo er noch heute tätig ist. Acarer gewann 2016 den renommierten Metin Göktepe Journalistenpreis und 2017 den Preis für unabhängige Journalisten.
Die Nutzung von „ByLock“ wird von den türkischen Justizbehörden als Beweis für die Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung angeführt, doch ist dieses Vorgehen äußerst umstritten. Schätzungen zufolge wird der benannte Messengerdienst in der Türkei von nahezu 10.000 Menschen verwendet. Bereits tausende Nutzer oder mit ihnen in Kontakt stehende Menschen wurden im Zuge der Ermittlungen nach dem Putschversuch deshalb verhaftet.
Keine Operation gegen die Birgün
In einer Stellungnahme der Birgün gibt die Zeitung bekannt, dass die Anwälte des Verlagshauses die Verhaftung ihres Kollegen, dessen Wohnung in den frühen Morgenstunden gewaltsam von der Polizei gestürmt wurde, genau mitverfolgen. Allerdings heißt es in der Stellungnahme auch, dass die Zeitung davon ausgeht, dass sich die die Ermittlung nicht gegen die Birgün im Allgemeinen richtet: „Wir hoffen dennoch, dass auch die Ermittlungen im Falle unseres Kollegen schnell zu einem Ergebnis führen.“
Bei den acht weiteren Journalisten handelt es sich um (ehemalige) Mitarbeiter von Zeitungen und Medienhäusern, wie der Zaman, Cihan Haber Ajansı, Ihlas Haber Ajansı oder Samanyolu, die alle mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!