Pressefreiheit in Ungarn: Druck auf kritische Stimmen
In Ungarn soll eine Behörde die Durchsetzung des neuen „Souveränitätsgesetzes“ kontrollieren. So sollen kritische Journalisten und NGOs bekämpft werden.
Im Schatten des EU-Gipfels wurde die Medienfreiheit in Ungarn weiter eingeschränkt. Vergangene Woche beschloss Viktor Orbáns Fidesz mit Zweidrittelmehrheit das Gesetz „zum Schutz der nationalen Souveränität“. Damit wird „ausländische Einmischung“ in Ungarns Politik und Gesellschaft unter Strafe gestellt, überwacht von einer neu zu schaffenden Behörde mit umfangreichen Befugnissen.
Betroffen ist laut Gesetzestext „jeder Akt der Desinformation, der darauf abzielt, die demokratische Debatte und die gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse des Staates zu beeinflussen“. Die genaue Auslegung obliegt der Behörde, die entspreche Definitionen ausarbeiten und jährliche Berichte erstellen solle. Kritiker befürchten, dass die bewusst offengelassene Formulierung dazu dient, dass insbesondere auch kritische Journalisten und NGOs damit bekämpft werden sollen.
Klar ist: Die neue Behörde kann dem Gesetzestext zufolge selbst Ermittlungen gegen jede Person oder Organisation aufnehmen. Sie muss dafür keine Gründe angeben und untersteht keinerlei Aufsicht, heißt es von Kritikern. Im Februar soll die Behörde ihren Betrieb aufnehmen, schon bis 1. Januar wird Premier Orbán ihre Leitung auf sechs Jahre bestellen. Verstöße gegen das Gesetz sollen mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden.
NGOs und Journalisten kritisieren es scharf und vergleichen es mit dem „Foreign Agent“-Gesetz in Russland, mit dem Putin seit 2012 die Zivilgesellschaft unterdrückt. „Jeder, der sich heute in demokratische Debatten einbringt oder die Öffentlichkeit informiert, steht damit unter Generalverdacht der Mächtigen“, heißt es in einem offenen Brief von zehn freien Medienhäusern in Ungarn, unter anderem Direkt36 und 444. Bereits jetzt würden sie von der Regierung beschuldigt, „fremden Interessen“ zu dienen. „Dies ist eine bewusste Lüge, die nicht nur die Nachrichtenredaktionen diffamiert, sondern auch die Ungarn, die ihre Inhalte sehen, hören und lesen.“
Zeitgleich eine Anti-EU-Kampagne
Die Regierung hingegen argumentiert, dass damit vorrangig die Finanzierung ungarischer Parteien aus dem Ausland verhindert werden soll. Eine solche habe es im Zuge der Parlamentswahl 2022 gegeben, die Orbáns Wahlbündnis freilich mit 54 Prozent gewann. „Wir möchten denen das Leben schwer machen, die im Ausland unsere Heimat für Dollar verkaufen. Wir wollen den linken Journalisten, Pseudo-NGOs und Dollar-Politikern einheizen, die glauben, das Interesse amerikanischer Dollar-Milliardäre oder Brüsseler multinationaler Firmen vertreten zu wollen“, sagte Fidesz-Fraktionschef Máté Kocsis vor einigen Wochen.
Schon vor dem Beschluss kritisierten mehrere NGOs, darunter Amnesty International und Transparency International, in einem gemeinsamen Brief das Gesetz vehement. Es handle sich um „ein politisches Propagandaprojekt“, das Ungarns verfassungsrechtlichen und europäischen Verpflichtungen widerspreche. Die Organisationen wollen rechtliche Schritte dagegen unternehmen und all jene unterstützen, die davon ins Visier genommen werden.
Zeitgleich läuft eine Anti-EU-Kampagne von der ungarischen Regierung aus. Die Plakate hängen seit Mitte November auf der Straße, zeigen etwa Ursula von der Leyen oder Alexander Soros, den Sohn von George Soros. Laut Věra Jourová, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, seien die Inhalte suggestiv und falsch. Damit werde die ungarische Bevölkerung aufgehetzt, so die EU-Kommissarin.
Um die ungarische Pressefreiheit ist es bekanntermaßen übel bestellt: Unternehmer aus Orbáns Umfeld hatten etliche Medien aufgekauft, die seitdem regierungsfreundlich berichten oder eingestellt wurden. Die wenigen verbliebenen freien Medien kämpfen mit finanziellen und behördlichen Schikanen. Seit Beginn von Orbáns Amtszeit stürzte Ungarn deshalb in allen Pressefreiheits-Rankings ab. Momentan liegt es im Index von Reporter ohne Grenzen nur noch auf Platz 72 von 180 untersuchten Staaten.
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