Pressefreiheit auf den Philippinen: Duterte gegen „Rappler“
Das philippinische Nachrichtenportal „Rappler“ steht vor dem Aus. Die Redaktion will trotz der Repressionen vorerst weitermachen.
Einen Tag vor der Machtübergabe Präsident Dutertes an Ferdinand Marcos Jr. vergangenen Donnerstag hat die Finanzaufsicht der Philippinen (SEC) angeordnet, das investigative Nachrichtenportal Rappler zu schließen. Chefredakteurin des regierungskritischen Mediums ist Maria Ressa, die 2021 den Friedensnobelpreis erhielt.
„Das war ein Geschenk von Duterte für Marcos“, sagt Jonathan de Santos. Der Vorsitzende der „Nationalen Union der Journalisten der Philippinen“ (NUJP). Es sei „die letzte Salve von Duterte gegen Rappler“.
Auch die Webseite des Nachrichenportals Bulatlat sowie mehrerer Bürgerrechts- und Entwicklungshilfeorganisationen wurden kurz vor Marcos’ Amtsantritt wegen „Unterstützung kommunistischer Terroristen“ blockiert.
Unter dem Slogan „Für einen freien und furchtlosen Journalismus“ berichtet Rappler seit Beginn der Präsidentschaft Dutertes vor sechs Jahren unter anderem über dessen tödlichen Drogenkrieg. Seit 2017 kamen mehr als 7.000 Menschen ums Leben.
Mindestens gefährlich, manchmal lebensbedrohlich
In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation sagte Duterte Rappler vor fünf Jahren den Kampf an. Rappler würde Ausländern gehören, sei ein „Fake-News-Verlag“ und „Werkzeug“ der CIA. Weil das Gesetz ausländische Investoren in Medienunternehmen untersagt, leitete die SEC Ermittlungen ein. Diese Ermittlungen halten seit fünf Jahren an, Chefredakteurin und Gründerin Maria Ressa wird immer wieder wegen angeblicher Steuervergehen und Verleumdung angeklagt.
Als Ressa 2021 den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz „zur Aufdeckung von Machtmissbrauch, Gewalt und des wachsenden Autoritarismus“ erhielt, wollten die Behörden sie zunächst nicht zur Preisverleihung nach Oslo reisen lassen.
„Ressa und Rappler haben auch dokumentiert, wie soziale Medien genutzt werden, um Fake News zu verbreiten, Gegner zu schikanieren und den öffentlichen Diskurs zu manipulieren“, hieß es in der Begründung des Komitees.
Die Anmerkung bezog sich auch auf Marcos Jr., der auf Social Media Geschichtsrevisionismus über die Diktatur seines Vaters betreiben lässt.
Journalist zu sein, ist auf den Philippinen mindestens gefährlich, manchmal lebensbedrohlich. Wer den Mächtigen bei Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen, Umweltproblemen und Korruption zu sehr in die Quere kommt, wird verfolgt, schikaniert, als „Kommunist“ diffamiert und schlimmstenfalls umgebracht.
Unbekannte töteten im Dezember 2021 Jesus „Jess“ Malabanan, der an einer Reportage der Nachrichtenagentur Reuters über den Drogenkrieg mitgearbeitet hatte. Er gilt als 24. Journalist, der unter Präsident Duterte ermordet wurde. Die Täter bleiben in der Regel ungestraft. Im Weltindex der „Reporter ohne Grenzen“ rutschten die Philippinen 2021 mehrere Ränge ab auf den 138. Platz.
„Auf Biegen und Brechen zum Schweigen gebracht werden“
„Viele Kollegen üben mittlerweile aus Angst Selbstzensur aus“, weiß De Santos, Nachrichtenchef der Webseite PhilStar. Die Situation für Journalisten wird unter dem neuen Präsidenten wohl kaum besser. Mit mehr als 30 Millionen Stimmen hat er „ein noch größeres Mandat als Duterte“, sagt De Santos.
Marcos habe schon im Wahlkampf nur mit Medien gesprochen, die ihm freundlich gesinnt waren. Auf der ersten Pressekonferenz nach seiner Wahl im Mai habe er Fragen einer Rappler-Reporterin einfach ignoriert. Bei einer späteren Pressekonferenz sollen erst gar keine Fragen zugelassen gewesen sein.
Rappler hat gegen die Anordnung der Finanzaufsicht, dichtmachen zu müssen, Berufung eingelegt und will zum laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgeben. Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht die Zukunft des Portals mit Sorge.
Ressa und ihre Kollegen, so Robertson, „sollen auf Biegen und Brechen zum Schweigen gebracht werden“. Noch ist Rappler online. Zum Amtsantritt von Marcos am 2. Juli veröffentlichte die Redaktion einen Faktencheck seiner ersten Rede als Präsident – und sezierte alle Unwahrheiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader