Presse in Kuba: Kritik plötzlich erwünscht
Im Dienst der Revolution geißeln kubanische Blätter hausgemachte Defizite - wie die Trägheit der Funktionäre.
Lange lag ein Mantel des Schweigens über den Schwierigkeiten, mit denen die Kubaner täglich zu kämpfen haben - seien es der öffentliche Nahverkehr, die rudimentäre Versorgung oder die langen Wartezeiten in der Verwaltung. Fluchen mochten darüber nur noch wenige Kubaner, denn es half ja ohnehin nichts -und für die Medien der Insel waren die Defizite ohnehin kaum ein Thema. Das hat sich in letzter Zeit jedoch geändert.
Oscar García, ein ehemaliger Universitätslehrer, sagt, es habe zuletzt "Artikel über die katastrophale Situation in der kubanischen Landwirtschaft" gegeben und auch "heftige Kritik an den öffentlichen Dienstleistungen, zum Beispiel in der Gastronomie". Und García freut sich über harsche Kritik aus dem Establishment. Denn "Ineffizienz" hat in Kuba die besten Chancen, zum Wort des Jahres zu werden; immer wieder hat Interims-Staatschef Raúl Castro zuletzt auf die latenten Defizite hingewiesen.
Zum Sprachrohr der Kritik ist in jüngster Vergangenheit das Blatt der kommunistischen Jugend geworden, die Juventud Rebelde, die im November ungewohnt deutlich die "erdrückende Einmütigkeit" der Funktionäre geißelte. Deren "Ignoranz und Lauheit" ersticke jede Debatte, so das Blatt in dem Aufmacher. Raúl Castro fordert seit der Übernahme der Amtsgeschäfte jedoch nicht nur Auseinandersetzung, sondern auch mehr Effizienz in Wirtschaft und Verwaltung. Bisher anscheinend mit begrenztem Erfolg, denn gerade wurde das Gesetz 246 erlassen: Dieses sieht harsche Strafen für Funktionäre vor, die ihre Aufgaben nicht erfüllen, meldete die Tageszeitung Trabajadores.
Das Blatt der kubanischen Gewerkschaften soll ab Anfang Januar Konkurrenz bekommen, so hat es der Kulturverantwortliche der kommunistischen Partei, Eliades Acosta, verlauten lassen. Dann soll sich zu den drei wichtigen Tageszeitungen der Insel eine Wochenzeitung gesellen, die kein Organ von Partei, Arbeitern oder der kommunistischen Jugend sein soll, so Acosta. Es sei Zeit für Kritik, erklärte der einflussreiche Parteifunktionär - wohl im direkten Auftrag von Interims-Staatschef Raúl Castro.
Denn dem ist an einer breiten Debatte innerhalb der kubanischen Gesellschaft gelegen, wie die initiierten Diskussionsrunden in Fabriken und Nachbarschaftskomitees zeigen. Deren Rahmen sei allerdings vorgegeben, kritisieren Oppositionelle wie Héctor Palacios oder die im Schweizer Exil lebende Journalistin Tania Quintero. Die interessiert sich nicht die Bohne für die Berichterstattung in den offiziellen Blättern - sie sorgt sich vielmehr um die Kollegen in kubanischen Gefängnissen. Dort sitzen laut Reporter ohne Grenzen 24 Kollegen. Über die wird in Kuba - trotz aller Debatten - nicht gesprochen.
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