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Press-SchlagStoppt endlich die Wahnsinnigen!

Die Ermittlungsergebnisse zum Wettskandal schockieren Fifa-Boss Sepp Blatter zutiefst. Echt? Wie war das nochmal mit der WM in Katar 2022?

Diese beiden Protagonisten freuen sich auf die WM im Wüstenstaat (Joseph Blatter, rechts, und Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani, links). Bild: dpa

Entsetzen in deutschen Wohnzimmern. Die Fernsehstimmung ist getrübt. Am unteren Rand des TV-Rechtecks läuft eine Nachricht durch das Bild: Wettskandal! Angriff auf den Fußball – Europas neuer Krieg. Alles kaputt? Was war geschehen? Hat die malaysische Wettmafia Passagierflugzeuge entführt und diese in die Fifa-Zentrale in Zürich gelenkt? Menschen tot, Fußball tot? Werden wir je wieder Spaß an unserem Lieblingssport haben?

Es war ein merkwürdiger Montag, an dem die Europapolizei Europol auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben hat, dass ihr Informationen über mehr als 350 manipulierte Fußballspiele in Europa vorliegen. Fifa-Chef Joseph Sepp Blatter twitterte seine Betroffenheit in die Welt und machte ernste Miene zum verschobenen Spiel, obwohl er vielleicht besser als die hyperventilierenden Medien weiß, dass vieles nicht neu war, was Europol da verkündet hat.

Nämlich: dass da gar kein neuer Wettskandal aufgedeckt worden ist, sondern zumeist schon lange bekannte Manipulationen zu einem Großen und Ganzen zusammengefasst wurden. Beim Internationalen Fußballverband redet man gern über die Bedrohung des Sports durch die Wettmafia. Denn: Sie ist eine Bedrohung von außen.

Jeder Satz über die Paten aus Singapur, welche Wettsyndikate mit Sitz auf dem Balkan anführen, lenkt davon ab, dass die größte Bedrohung des Fußballs von der Fifa selbst ausgeht.

taz
ANDREAS RÜTTENAUER

ist Sportredakteur der taz.

Bestechliche Funktionäre

Der korrupte Verband, dessen bestechliche Funktionäre über Jahrzehnte vor allem ihr persönliches Wohlergehen im Blick hatten, ist eine größere Gefahr für das Spiel als irgendwelche Schieber in Asien. Dass sie bereit sind, das letzte Restchen von Glaubwürdigkeit, das der organisierte Weltfußball noch besaß, auch noch zu verscherbeln, zeigte die Entscheidung für Katar als Austragungsort der WM 2022. Der Fußball war verkauft.

Und jetzt will man uns ernsthaft weismachen, dass ein verschobenes Ligaspiel in Finnland den Fußball kaputtmacht. Ein Witz! Längst hat auch selbst Blatter erkannt, dass die Weltregierung des Fußballs zu weit gegangen ist. Er tut so, als wolle er die Fifa reformieren und setzt dabei unter anderem auf den Strafrechtsprofessor Mark Pieth, der nach mehr als einem Jahr in Diensten der Fifa jetzt tatsächlich bereits festgestellt hat, in welchem Sauhaufen er da eigentlich aufräumen soll.

Pieth hat sogar herausgefunden, dass die Männerriege, die den Fußball regiert, sexistisch ist, und dass dicke Freunde der alten südamerikanischen Diktaturen in der Exekutive sitzen. Unerhört. Blatter lässt Pieth machen, weil er weiß, dass der Fifa das Wasser bis zum Hals steht. Die Entscheidung, das WM-Turnier in einem alkoholfreien Wüstenstaat auszurichten, in dem man sich im Sommer aus gesundheitlichen Gründen besser gar nicht im Freien aufhalten und schon gar nicht Fußballspielen sollte, könnte sogar widerrufen werden.

Der französische Uefa-Chef Michel Platini ist der letzte mächtige Funktionär, der lauthals für die WM kämpft in dem Emirat, das viel Gutes für sein Heimatland getan und auch seinem Sohn einen Job verschafft hat. Platini versucht verzweifelt, das Turnier in den Winter verlegen zu lassen. Doch kein Funktionsträger im europäischen Fußball sagt: Halt, stoppt diesen Wahnsinnigen!

Der einflussreiche Chef der Vereinigung der europäischen Fußballklubs ECA und Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, kann sich gut vorstellen, den Fußballkalender im Sinne Katars umzuschreiben. Wo waren die Bayern in diesem Winter gleich wieder im Trainingslager? In Katar? Und wer macht den Fußball kaputt? Die Wettmafia!

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