piwik no script img

Prekäre ArbeitMinijobs unter Druck

Arbeitgeber, FDP und AfD wollen die Verdienstgrenze bei 450-Euro-Jobs erhöhen. Die Linke will diese Art der Jobs dagegen abschaffen.

Die Beschäftigten in der Gebäudereinigung etwa arbeiteten im Jahre 2013 im Westen noch 50 Stunden im Monat für 450 Euro, inzwischen sind es nur noch 40,5 Stunden Foto: imago

Berlin taz | Jahr für Jahr wurde der tarifliche Mindestlohn für GebäudereinigerInnen erhöht – aber viele Beschäftigte bekommen nicht mehr Geld, sondern müssen für das gleiche Geld nur weniger arbeiten. „Wir wollen nicht jedes Jahr künstlich Arbeitszeit reduzieren“, sagt Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks, „wir brauchen die Dynamisierung der 450-Euro-Grenze.“

Bungart sprach am Montag auf einer ExpertInnenanhörung im Bundestag zur Frage, ob Minijobs abgeschafft oder erweitert werden sollen. Die FDP und die AfD brachten Anträge ein, nach denen die starre 450-Euro-Verdienstgrenze für die abgabenfreie Beschäftigung erhöht werden müsse. Die Linke forderte hingegen in ihrem Antrag, die sozialversicherungsfreien Minijobs abzuschaffen und stattdessen nur noch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu zulassen.

Die 450-Euro-Grenze für die Minijobs wurde seit acht Jahren nicht mehr erhöht. Die Mindestlöhne, ob gesetzlich oder tariflich, stiegen aber in dieser Zeit. Die Beschäftigten in der Gebäudereinigung etwa arbeiteten im Jahre 2013 im Westen noch 50 Stunden im Monat für 450 Euro, inzwischen sind es nur noch 40,5 Stunden.

Die Innung der Gebäudereiniger würde die Minijobs am liebsten abschaffen, geht aus ihrer Stellungnahme hervor. Denn die ArbeitgeberInnen müssen an Sozialversicherungsbeiträgen und Pauschalsteuer mehr als 30 Prozent des Lohnes berappen. Den ArbeitnehmerInnen werden keine Beiträge abgezogen. Eine Abschaffung sei aber nicht durchsetzbar, sagte Bungart, „die Beschäftigten wollen die Brutto-für-Netto-Löhne“.

Wahlfreiheit gefordert

Die Linke allerdings möchte die Minijobs abschaffen und fordert volle Sozialversicherungspflicht „ab dem ersten Euro“, wie es im Antrag der Linken heißt. Denn obwohl die Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssen, erwerben die ArbeitnehmerInnen keine eigenen Rentenansprüche aus den Minijobs, wenn sie nicht extra noch einen eigenen Beitrag leisten, was die meisten nicht tun.

Viele Minijobbende könnten „keine eigenständigen sozialen Leistungsansprüche und kaum Rentenansprüche erwerben“, heißt es im Antrag der Linken. In Coronazeiten habe sich zudem gezeigt, dass Minijobs „nicht krisensicher“ seien. Die Zahl der gewerblichen MinijobberInnen ging im Jahr 2020 um 13 Prozent auf 5,8 Millionen zurück.

Fast 40 Prozent der MinijobberInnen haben zusätzlich eine sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigung. Ansonsten üben Ehefrauen, SchülerInnen, Studierende, RentnerInnen, Hartz-IV-EmpfängerInnen Minijobs aus. Peggy Horn, stellvertretende Leiterin der Minijob-Zentrale in Cottbus, riet von einer plötzlichen Abschaffung ab. Sie brachte eine Regelung ins Gespräch, nach der man den geringfügig Beschäftigten in einer Übergangszeit eine „Wahlfreiheit“ lassen könne, ob sie einen Minijob oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wollten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Angesichts sinkender Renten sind immer mehr Senioren - wie ich - auf den Minijob angewiesen - und damit abhängig von ihren Arbeitgebern. Sie verlieren als erste ihre Jobs in der Krise - das sieht man jetzt gerade bei Corona. Und für Minijobber gibt es kein Kurzarbeitegeld - sie bekommen nichts! Da bleibt dann nur der Weg zum Jobcenter bzw Antrag auf Grundsicherung - wer die kennt, weiß , was das bedeutet......

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn Begriffe gegendert werden, sollte das nicht aus einem Automatismus geschehen. Diskriminierende Begrifflichkeiten werden dadurch im Zweifel noch aufgewertet und ihr Macht- und Herrschaftsgehalt wird verschleiert.



    Wenn ein Karnevalsverein sich "ZigeunerInnen" nennt statt "Zigeuner", macht das die Sache nicht besser, sondern eher noch schlimmer.



    Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen "Arbeitgeber" und "Arbeitnehmer". Diese suggerieren, das die Arbeiter:innen den Unternehmer:innen etwas wegnehmen und dass andererseits die Unternehmer:innen den Arbeiter:innen etwas Gutes tun, wenn sie sie zu unbezahlter Mehrarbeit zwingen.



    Das kehrt die realen Verhältnisse um. Denn Unternehmer:innen sind für ihre Profite auf ausbeutbare Arbeitskraft angewiesen und stellen Arbeiter:innen nicht aus Güte ein, sondern aus Eigennutz. Dafür müssen ihnen die Arbeiter:innen nicht auch noch dankbar sein.



    Die Idee, dass Unternehmer:innen den Arbeiter:innen etwas geben, indem sie sie zur unbezahlten Mehrarbeit zwingen, ist bevormundend (patronistisch oder patriarchal). Es wird dabei unterstellt, dass es den Arbeiter:innen schlechter ginge, wenn man sie auf Augenhöhe behandeln würde und sie selbst bestimmen könnten, wieviel unbezahlte Arbeit sie leisten, d.h. wieviel Arbeit sie in den Fortschritt investieren wollen. Man müsse sie daher zu ihrem Glück zwingen.



    In jedem Arbeitsvertrag wird die Klassendifferenz festgeschrieben und reproduziert, dass nämlich die Unternehmer:innen das Kapital zur Verfügung stellen und die Arbeiter:innen die Arbeit, von deren Wert sich die Unternehmer:innen einen Teil aneignen. Deswegen kehrt der Begriff "Arbeitnehmer" die Verhältnisse um. Denn die vermeintlichen "Arbeitnehmer" sind in Wirklichkeit diejenigen, die die Arbeit geben und die vermeintlichen "Arbeitgeber" sind diejenigen, sie sich einen Teil des Wertes der Arbeit aneignen.



    Daran ändert auch Gendern nichts. Dadurch wird nur suggeriert, die Begriffe seien nun unproblematisch.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Diese Problematik zu erörtern war an dieser Stelle bestimmt absolut notwendig - jetzt müssten Sie nur noch erklären, was das mit dem Artikel zu tun hat.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Lias Bledt:

        An welcher Stelle wäre das denn "absolut notwendig" gewesen?



        Wo setzt sich denn die taz mit diesen Begrifflichkeiten öffentlich auseinander?



        Ja, ich hätte das auch unter irgend einen anderen Artikel schreiben können, in dem von "ArbeitgeberInnen" und "ArbeitnehmerInnen" die Rede ist. Da hätte das dann genauso gut und genauso schlecht gepasst wie unter diesen Artikel.