Preis der Leipziger Buchmesse: Berserkerhaftes Buddy-Business
Für den Preis sind ein Ex-Jurymitglied und Journalistenkollegen der Jury nominiert. Zufall? Wohl eher Buddy-Business.
Der Leipziger Buchpreis ist wichtig für das Sachbuch, nun wurden die diesjährigen Nominierten bekanntgegeben. Er ist der einzige deutsche Buchpreis, der das Sachbuch einem größeren Publikum zuführt und aus der akademischen Nische herauszieht. Umso schlimmer, dass die siebenköpfige Jury des insgesamt mit 60.000 Euro dotierten Preises wenig Ahnung von Sachbüchern hat.
Sie besteht nämlich zu hundert Prozent aus Germanist*innen, den Vorsitz hat Jens Bisky von der Süddeutschen Zeitung. Nun kann man einwenden, das sei doch kein Grund, aber es ist die freundlichere Begründung für die Erklärung der Auswahl im Vergleich zu einer möglichen zweiten, die darauf fokussiert, dass hier bis auf eine Ausnahme nur Journalistenkolleg*innen und ein Ex-Jurymitglied nominiert wurden. Buddy-Business ist das schmutzige Wort dafür. Hier ist es.
Wer ist nominiert? Vier Männer, eine Frau, es langweilt doch sehr, das Geschlechterverhältnis zu kommentieren, lassen wir es, ein eher belletristisches Buch (Marko Martin: „Das Haus in Habana“, Wehrhahn Verlag) und zwei doch sehr gute Bücher, die sich beide mit deutscher Mentalitätsgeschichte beschäftigen, man muss nicht gleich einen deutschen Trend zur Post-Globalgeschichte ausrufen, aber die Gefühle wiegen insgesamt sehr schwer zurzeit (Harald Jähner: „Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945–1955“ und Frank Biess: „Republik der Angst““, Rowohlt und Rowohlt Berlin).
Zwei weitere Bücher kommen von Journalist*innen der SZ: Lothar Müller hat sich „Freuds Dinge“ (Die Andere Bibliothek) angeschaut, ein sehr interessanter Zugang zum Inventar der Psychoanalyse, das Buch erscheint demnächst, und Kia Vahland hat sich mit Leonardo da Vinci und den Frauen beschäftigt (Insel Verlag). Wir tippen auf Müller oder Jähner.
Preisträger werden am 21. März verkündet
Bei den Belletristik-Nominierten gibt es auch einen Aufreger: Feridun Zaimoglu gräbt sich in seinem Roman „Die Geschichte der Frau“, so die Jurybegründung für die Nominierung, „mit berserkergleicher Kraft in die Weltgeschichte hinein und findet diejenigen, die bislang hinter den Stimmen ihrer Männer verborgen blieben: die Frauen“ (Kiepenheuer & Witsch). Fragt sich, ob es ausgerechnet Berserker braucht, um die Frauen zu finden.
Auf der weiteren Nominiertenliste stehen jedenfalls schon mal zwei Autorinnen, die das gar nicht nötig haben: Anke Stelling mit „Schäfchen im Trockenen“ (Verbrecher Verlag), ein Roman, der mit klassenkämpferischer Wucht in die allzu befriedete Mittelklassewelt der Berliner Selbstverwirklicherszene fährt, sowie Kenah Cusanit mit ihrem kühlen wissensarchäologischen Blick in „Babel“ (Hanser).
Literarisch sehr ernst zu nehmen und zudem als Gegenwartsanalyse interessant ist Matthias Nawrats Roman „Der traurige Gast“ (Rowohlt). Außerdem steht noch Jaroslav Rudiš mit „Winterbergs letzte Reise“ (Luchterhand) auf der Liste, eine Lebenssuche von Berlin nach Sarajevo über Liberec, Prag, Wien und Budapest.
In der Sparte Übersetzung sind nominiert Georg Aescht, Susanne Lange, Timea Tankó, Karin Uttendörfer und Eva Ruth Wemme. Zweimal Rumänisch, je einmal Ungarisch, Spanisch und Französisch. Keinmal Englisch. Die Preisträger werden am 21. März auf der Leipziger Buchmesse verkündet.
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