Praxistest Schwarz-Gelb (III): Die schlanken Staatsträume
In Nordrhein-Westfalen versprach 2005 die neue schwarz-gelbe Koaltion Bürokratie- und Subventionsabbau. Doch daraus wurde nichts. Die FDP tönte laut und verstummte schnell.
BOCHUM taz | "Privat vor Staat": Wie ein Mantra wiederholen Nordrhein-Westfalens Liberale diesen Spruch. Während der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle mit seinem Slogan "Mehr Netto vom Brutto" punkten will, setzt sein NRW-Landesverband vor allem auf den schlanken Staat.
Effizienter und kostengünstiger solle die Landesverwaltung werden, versprachen CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und sein FDP-Stellvertreter Andreas Pinkwart schon bei ihrem Amtsantritt 2005. Beteiligungen des Landes an Flughäfen und Messen kämen wie die Abwasserentsorgung auf den Prüfstand, so die Liberalen. Auch die Landesbank WestLB müsse privatisiert, das Ladenschlussgesetz gekippt werden. Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke, forderte lautstark ein Ende des am Tropf staatlicher Subventionen hängenden Steinkohlebergbaus bereits im Jahr 2010.
Geändert hat sich nicht viel. Die Kohlesubventionen laufen bis zum Jahr 2018, die WestLB ist trotz einer 5 Milliarden Euro schweren Landesbürgschaft weiterhin in staatlicher Hand. Unterschätzt hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition vor allem den Widerstand der Öffentlichkeit: Zuerst zogen die Bergleute vor den Landtag, danach demonstrierten 25.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Düsseldorf.
Die Liberalen versprechen stets, die Bürokratie abzubauen. Sind sie in Regierungsverantwortung, wird kaum etwas umgesetzt. Bei der Bundestagswahl könnten die Liberalen indirekt von einer Regelung für Überhangmandate profitieren. Denn die spielt der Union in die Tasche und könnte für eine schwarz-gelbe Mehrheit sorgen.
CDU und FDP führen seitdem zwar einen einen merkwürdigen Kleinkrieg um die Privatisierung von Wäschereien und Küchen von Universitätskliniken. Die versprochene grundlegende Bürokratiereform jedoch - also die Abschaffung des historisch bedingten Nebeneinanders der Landschaftsverbände Rheinland, Westfalen-Lippe und des Regionalverbands Ruhr in Konkurrenz mit fünf Regierungsbezirken - wurde in die kommende Legislaturperiode verschoben.
"Nur dank einer starken CDU kann die FDP in Nordrhein-Westfalen überhaupt regieren", analysiert der Politikwissenschaftler Jan Treibel von der Universität Duisburg-Essen, der die innerparteiliche Willensbildung der Partei gerade für ein Forschungsprojekt beobachtet. 2005 kamen die Liberalen nur auf 6,2 Prozent der Stimmen. Sie dürfen deshalb nur zwei Minister stellen. Neben Pinkwart, der das "Innovationsministerium" führt, amtiert Ingo Wolf glücklos als Innenminister. Gegen die von ihm unterstützte Vorratsdatenspeicherung klagt sogar sein Parteifreund und Vorgänger als NRW-Innenminister, der Bürgerrechtler Burkhard Hirsch.
Durchsetzen konnte FDP-Chef Pinkwart neben der Einführung allgemeiner Studiengebühren auch den Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft LEG mit ihren mehr als 92.000 preiswerten Wohnungen. Der Erlös von mehr als 700 Millionen Euro ging auch an einen Innovationsfonds, mit dem der Wissenschaftsminister Spitzenforschung unterstützen will. Die Mieter der LEG aber klagen über Mieterhöhungen und Renovierungsstaus und setzen so den um ein soziales Profil bemühten Ministerpräsidenten Rüttgers unter Druck. "Der FDP hats nicht geschadet", sagt Forscher Treibel: In aktuellen Umfragen liegen die Liberalen in NRW deutlich mehr als 10 Prozent.
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