Präzedenzfall für Umweltkatastrophen: Total haftet für Ölpest
1999 verursachte der Tanker „Erika“ vor Frankreichs Küste eine Ölpest. Ein Gericht hat nun ein Urteil gefällt, das weitreichende Folgen haben könnte.
PARIS taz | Das Pariser Kassationsgericht hat eine Beschwerde des Erdölkonzerns Total abgelehnt und das Urteil zur strafrechtlichen Verantwortung beim „Erika“-Tankerunglück für rechtmäßig erklärt.
Vergeblich hatten die Anwälte von Total geltend gemacht, die französische Justiz sei gar nicht zuständig für Strafklagen, da sich der Schiffbruch im Dezember 1999 außerhalb der Hoheitsgewässer ereignet habe. Die Kassationsrichter haben diesen Einwand nicht nur abgewiesen, sondern sogar eine Verschärfung der finanziellen Sanktionen für Total angekündigt.
Mit dem gestern veröffentlichten Urteil ist zudem eine neue Rechtsprechung bei Umweltkatastrophen mit einem Präzedenzfall definitiv bestätigt worden. Entsprechend groß ist die Erleichterung in der Bretagne. Nach der Ölkatastrophe hatten viele bereits einen juristischen „Schiffbruch“ befürchtet. Ihr Albtraum war es, dass Total und die übrigen Beteiligten endgültig ungeschoren davonkommen könnten.
Dreizehn Jahre ist es her, seit der unter maltesischer Flagge fahrende Tanker „Erika“ in einem Sturm entzweibrach und sank. Durch das ausfließende Schweröl wurden die Küsten der Bretagne auf einer Länge von 400 Kilometern verschmutzt, Tausende von Seevögeln verendeten und viele der freiwilligen Helfer müssen mit Gesundheitsschäden rechnen.
Hoffen auf die abschreckende Wirkung
Bei den Betroffenen und Geschädigten ist das unvergessen. Sie hoffen nun, dass die gerichtliche Verurteilung der Beteiligten und Verantwortlichen auch eine abschreckende Wirkung haben werde, damit sich eine solche Umweltkatastrophe nicht wiederholt.
2008 war der Straftatbestand der „ökologischen Schädigung“ in erster Instanz anerkannt und vom Berufungsgericht im Jahr 2010 bestätigt worden. Der Konzern Total, für den der im Sturm gesunkene Tanker „Erika“ eine Ladung mit giftigem Schweröl transportiert hatte, wurde deswegen zu einem Bußgeld von 375.000 Euro, verurteilt. Das stellte in dieser Art eine juristische Premiere dar.
Schuldig befunden und entsprechend ebenfalls mit Geldstrafen sanktioniert wurden die italienische Prüfungsgesellschaft Rina, welche den bereits 25 Jahre alten Tanker für hochseetauglich erklärt hatte, sowie der Reeder Giuseppe Savarese und der Eigentümer der Transportgesellschaft Panship, Antonio Pollara. Damit kann nun der „Erika“-Prozess zum Schulbeispiel der Katastrophenverhütung werden.
Änderung der internationalen Konvention
Die frühere Umweltministerin Corinne Lepage, die im „Erika“-Prozess als Anwältin die Interessen zahlreicher von der Ölpest geschädigten Kommunen in der Bretagne vertreten hat, möchte darum, dass jetzt auch die internationale Konvention für den Seetransport von Erdölprodukten revidiert wird. Diese betrachtet bisher im Katastrophenfall nur den Schiffseigentümer als zivilrechtlich haftbar. Damit aber würden laut Lepage die „wahren Verantwortlichen“, nämlich die Ölkonzerne als Auftraggeber dieser Seetransporte, ausgeklammert.
Nur im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung mit Rina und dem Reeder hatte Total schließlich im Fall „Erika“ rund 180 Millionen Euro an Wiedergutmachung bezahlt.
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