piwik no script img

Präsidentschaftswahlen in MontenegroVotum für prowestlichen Kurs

Bei den Präsidentschaftswahlen in Montenegro gibt es noch keinen Sieger. Amtsinhaber Djukanović und Kandidat Milatović gehen in die Stichwahl.

Jakov Milatović hat es überraschend in die Stichwahl geschafft Foto: Stevo Vasiljevic/imago

Sarajevo taz | In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Montenegro am Sonntag liegen die prowestlichen Kandidaten weit vor den proserbischen und mit Russland sympathisierenden Kandidaten. Amtsinhaber Milo Djukanović hat nach vorläufigen Ergebnissen mit rund 36 Prozent zwar die meisten Stimmen geholt, muss aber in eine Stichwahl. Djukanović verfehlte damit die Marke von 50 Prozent, die für eine Wahl bereits in der ersten Runde erforderlich gewesen wäre.

Bei der Stichwahl am 2. April wird überraschenderweise der Wirtschaftswissenschaftler und Gründer der Partei „Europe now“ Jakov Milatović sein Gegenkandidat sein, der auf 28,8 Prozent der Stimmen kam. Dagegen erhielt der proserbische Politiker Andrija Mandić, dem enge Verbindungen zu Belgrad und Russland nachgesagt werden, nur 19,2 Prozent der Stimmen.

Damit scheint schon jetzt klar zu sein, dass alle Versuche Serbiens und Russlands, Montenegro aus der Nato und dem prowestlichen und proeuropäischen Weg zu lösen, scheitern werden. Beide Kandidaten sind prowestlich und wollen in der Nato bleiben. Montenegro ist mit seinen rund 620.000 Einwohnern und 540.000 Wählern zwar der kleinste der sechs Westbalkan-Staaten, die in die EU streben, ist aber strategisch für beide, den Westen und Russland, wichtig.

Serbien und Russland versuchen Einfluss zu gewinnen

Es sind vor allem die Adriahäfen und damit die Kontrolle der Adria, die für Russland so verlockend sind. Für Serbien ist Montenegro das Bruderland, die Montenegriner das „Brudervolk“, das es nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991 zurückzuholen gilt. Für beide Länder gilt Montenegro mit seinen schroffen Bergen und der wunderschönen zerklüfteten Küste als Urlaubsparadies. Serbische und russische Agenten versuchten 2016 mit einem Putsch, das Land auf ihren Kurs zu bringen. Die Antwort der Proeuropäer war der Eintritt des Landes in die Nato 2017.

Während sich die Mehrheit der Bevölkerung als westlich orientierte Montenegriner betrachten, definieren sich rund 35 Prozent der Menschen als Serben

In Moskau und Belgrad hat es wohl lange Gesichter nach der Verkündigung der ersten Wahlergebnisse gegeben. Während sich die Mehrheit der Bevölkerung als westlich orientierte Montenegriner betrachten, definieren sich rund 35 Prozent der Menschen als Serben. Auch die Minderheiten der Bosniaken, Albaner und Katholiken stützen das prowestliche Lager. Der serbische Bevölkerungsteil und die serbische orthodoxe Kirche lehnen aber nach wie vor die 2006 erklärte Unabhängigkeit von Serbien ab. Dennoch zeigen die vorläufigen Wahlergebnisse, dass auch ein Teil der serbisch-orthodoxen Bevölkerung für Djukanović und Milatović und damit für die Integration des Landes in die EU gestimmt haben.

Djukanović – das politische Fossil

Djukanović, der schon seit 1990 entweder als Premierminister oder Präsident zur politischen Führung des Landes gehört, hat Montenegro aus Jugoslawien gelöst und in die Unabhängigkeit 2006 geführt. Er ist das politische Fossil, das mit allerlei Skandalen belastet ist. Dazu gehört auch der Vertrag mit China, eine wegen des Geländes sündhaft teure Autobahn durch die „Schwarzen Berge“ zu bauen, was das Land an den Rand des finanziellen Ruins gebracht hat.

Folgerichtig verlor seine Partei die Parlamentswahlen 2020. Eine Koalition aus prowestlichen Reformkräften und proserbischen Parteien führt seitdem das Land. Der zweite Wahlsieger, Jakov Milatović, ist in diesem Kabinett Finanzminister, Djukanović blieb aber bis heute Präsident.

Wiederholt kam es zu Misstrauensvoten und Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten und Abgeordneten der heterogenen Koalition. Erst am Donnerstag löste Djukanović das Parlament auf und setzte vorgezogene Parlamentswahlen für den 11. Juni an.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!