Präsidentschaftswahlen in Kamerun: Biya stellt politische Gegner kalt
In sechs Monaten will sich Kameruns Präsident Biya nach über 40 Jahren im Amt wiederwählen lassen. Alle ernsthaften Kontrahenten sind bereits gesperrt.

Alles deutet darauf hin, dass Biya im Oktober zum mittlerweile achten Mal zur Wiederwahl kandidieren wird. Von Rückzug oder Amtsmüdigkeit keine Spur, doch wäre diese wohl schwierig festzustellen. Denn in der Öffentlichkeit zeigt sich der 92-Jährige seit Jahren nur noch selten und wenn, dann meist steif choreografiert.
Als vor einem halben wochenlang kein Lebenszeichen von ihm kam, brodelte bereits die Gerüchteküche: Paul Biya sei tot, hieß es auf den Straßen und in den sozialen Medien. Die Regierung dementierte, bescheinigte dem Präsidenten eine „exzellente Gesundheit“ und verbot sämtliche Spekulationen zu seinem Gesundheitszustand. Kurz darauf traf Biya medienwirksam am Flughafen von Kameruns Hauptstadt Yaoundé ein. Es ist nicht das erste Mal, dass Paul Biya den Spekulationen zu seinem Tod eine Absage erteilt.
Doch angesichts seiner immer offensichtlicher werdenden gesundheitlichen Beschwerden wird zunehmend gefragt, wer im Präsidentenpalast Etoudi tatsächlich die Strippen zieht. Längst nimmt auch die offene Kritik an Biyas Regierungsführung zu, die als immer autoritärer und realitätsferner wahrgenommen wird. Insbesondere die schwache wirtschaftliche Situation und die Gewalt in den anglofonen Regionen werden dem alternden Präsidenten zunehmend übel genommen.
Katholische Bischofskonferenz fordert freie Wahlen
Im März meldete sich die katholische Bischofskonferenz (CENC) mit scharfer Kritik zu Wort und forderte in einem Hirtenbrief freie und transparente Wahlen. Sie prangerte antidemokratische Praktiken an und skizzierte das Bild ihres idealen Präsidentschaftskandidaten: integer, bescheiden, demütig, mit moralischer Führungsstärke; einer, der das Land kennt, in der Lage ist, es zu bereisen, zuhört und sich nicht selbst bereichert. Insgesamt zehn Kriterien nannten die Bischöfe, die jeder erfüllen müsse, der Kamerun führen wolle.
Zehn Kriterien, die wohl auch deutlich machen, was viele Kameruner vermissen. So mahnten die Bischöfe auch Rechtsverstöße durch die Wahlbehörde Elecam und den Verfassungsrat an, wie zum Beispiel die Verspätung bei der Veröffentlichung der Wählerlisten.
Als problematisch wird die Ernennung von Monique Ouli Ndango in den Verfassungsrat gesehen. Die ehemalige Senatorin der Regierungspartei RDPC wurde am 8. April per Präsidialdekret zum Mitglied des Rats,der unter anderem die Ordnungsmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen überwacht und die Ergebnisse verkündet. „Die Ernennung einer politisch den Machthabern nahestehenden Person für eine so wichtige Funktion wirft ernste Fragen über die Neutralität des Rates auf“, kritisiert der Menschenrechtsanwalt Agbor Balla. Angesichts der anstehenden Wahlen brauche es Institutionen, die frei von politischer Einflussnahme seien.
Biyas engmaschiges Unterstützersystem
Es ist ein Manöver, das bezeichnend für Biya ist. Der Präsident hat sich über die Jahrzehnte ein engmaschiges Unterstützersystem geschaffen und Schlüsselpositionen in Justiz, Wahlbehörden und Sicherheitsapparat systematisch mit loyalen Vertrauten besetzt. Vergangene Wahlen waren immer wieder von Vorwürfen der Wahlmanipulation überschattet. Zu den Oppositionskandidaten, die dennoch bereits Absichten erklärt haben, sich für die Wahl im Oktober aufstellen zu lassen, gehören unter anderem Maurice Kamto (MRC), Cabral Libii (PCRN), Akere Muna (Univers) und Joshua Osih (SDF). Doch müssen diese noch von der Wahlbehörde Elecam und dem Verfassungsrat validiert werden.
Für Kamto könnte die Kandidatur schwierig werden. Der Oppositionspolitiker hatte bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2018 mit 14,2 Prozent den zweiten Platz belegt. Nach kamerunischem Wahlrecht darf eine Partei allerdings nur dann einen Präsidentschaftskandidaten aufstellen, wenn sie im Parlament oder in einem Gemeinderat vertreten ist. Die dafür entscheidenden Parlaments- und Kommunalwahlen, die eigentlich dieses Jahr hätten stattfinden sollen, wurden aber kurzfristig auf 2026 verschoben – der Kalender sei mit den Präsidentschaftswahlen bereits zu voll und mehrere Wahlen in einem Jahr seien zu teuer, lautete die Begründung.
Für Kamto hat das direkte Folgen: Er hatte mit seiner Partei die letzten Parlaments- und Kommunalwahlen 2020 boykottiert, so wie viele andere Oppositionsparteien auch. Die Parlamentswahlverschiebung könnte nun ihm und allen Kandidaten, deren Parteien die Wahlen 2020 boykottierten, zum Verhängnis werden. Ein Zufall, der Biyas Handschrift trägt.
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