Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Russland wartet ab und wundert sich
Der Kreml reagiert auf den Sieg von Wolodimir Selenski abwartend. Ein russischer Blogger schreibt, es sei ungewohnt, eine Wahl zu haben.
Solowjow ist nicht alleine mit seinen Vorbehalten gegenüber dem Wahlausgang in der Ukraine. Während US-Präsident Trump, der französische Staatschef Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere westliche Staatschefs dem Sieger gratulierten, lässt Russlands Präsident Wladimir Putin sich Zeit mit präsidialen Glückwünschen. Es sei noch nicht an der Zeit dafür und auch zu früh, über eine Zusammenarbeit zu sprechen, erklärt Putins Pressesprecher Dmitrij Peskow.
Man achte in Moskau natürlich die Entscheidung des ukrainischen Volkes. Doch angesichts des Umstandes, dass drei Millionen in Russland lebende Ukrainer nicht an der Wahl hätten teilnehmen dürfen, so Peskow, stelle sich auch die Frage nach der Legitimität dieser Abstimmung.
Andere russische Politiker sind weniger zurückhaltend. Als einer der ersten hatte der Chef der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, dem neu gewählten Präsidenten der Ukraine gratuliert. Russlands Premierminister Dmitrij Medwedjew wünscht Selenski auf seiner Facebook-Seite „Vernunft“ und ein „Verständnis für den tiefen Wert der Beziehungen unserer Völker, die wichtiger sind als das politische Tagesgeschäft“.
Auch die von der Krim stammende Duma-Abgeordnete Natalia Poklonskaja gratulierte Selenski zum Sieg. Sie wünsche ihm die Kraft, „das blutige Regime Vergangenheit werden zu lassen“, „Frieden im Donbas“ und „eine Freilassung aller Gefangener beider Länder“. Gleichzeitig beglückwünschte sie das ukrainische Volk zu der Hoffnung, „nun vom tödlichen Kurs abkommen zu können“.
Showstars wollen in der Ukraine Geld verdienen
Große Hoffnung in den neuen ukrainischen Präsidenten setzen die Stars des russischen Showgeschäftes, denen in den vergangenen fünf Jahren zum großen Teil eine Einreise in die Ukraine verwehrt worden war. Die ukrainischstämmige Popsängerin und Schauspielerin Natascha Koroljowa, die auch Mitglied der russischen Regierungspartei Einiges Russland ist, veröffentlicht auf ihrer Instagram-Seite ein Video, das zeigt, wie Wolodimir Selenski ihr bei einem früheren Auftritt auf der Bühne Falten auf dem Kleid glattstreicht.
„Ich gratuliere Wolodimir aufrichtig zu seinem Sieg“, schreibt der Tänzer und Schauspieler Wlad Topalow, der 2017 wegen eines Auftrittes auf der Krim mit einer ukrainischen Einreisesperre belegt worden war. „Wir alle glauben an das Beste und die Freundschaft unserer Völker. Ich möchte in die Heimat meiner Frau reisen dürfen, ich will ihr Haus, ihren Hof sehen, und möchte, dass unser Sohn endlich seinen Großvater kennenlernen kann. Der träumt die ganze Zeit davon. Und ich natürlich auch. Ich gratuliere. Ukraine! Hurra!“
Vieles, was gerade in der Ukraine passiert sei, schreibt Anton Orech auf der Seite von der Radiostation Echo Moskau, sei für Russland wirklich etwas Ungewohntes. „Wir verstehen überhaupt nicht, wie es eigentlich sein kann, dass ein Präsident Wahlen auch verlieren kann. Oder dass es sogar eine zweite Runde geben muss.“ Die Ukrainer hätten mit ihrer Entscheidung vom vergangenen Sonntag gezeigt, so der Blogger Orech, dass es tatsächlich eine Wahl gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut