Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Macht auf Kosten der Demokratie
Bei der Wahl am Sonntag werden die Kandidaten Timoschenko und Janukowytsch nicht weit auseinander liegen. Das Vertrauen in beide ist jedoch schon lange gebrochen.
LEMBERG taz | In den letzten Tagen vor der Präsidentschaftswahl können sich die Ukrainer vor den Konterfeis der Kandidaten und deren Versprechungen kaum retten. Überall kleben Wahlplakate, die Werbespots im Fernsehen laufen ununterbrochen. Versprochen wird alles Mögliche - vor allem Wohlstand für alle.
Am Sonntag wird in der Ukraine gewählt. Auch diesmal gilt die Präsidentschaftswahl als richtungsweisend. Doch das Klischee über den Kampf zwischen einem prowestlichen und einem prorussischen Kandidaten ist ebenso wenig überzeugend wie die Vorstellung, dass Reformer gegen das alte System antreten. Viele Grenzen in der ukrainischen Politik sind mittlerweile verwischt.
Insgesamt 18 Kandidaten treten diesmal an. Eine reale Chance, in die Stichwahl zu kommen haben aber nur zwei: die amtierende Premierministerin Julia Timoschenko und der Oppositionsführer Wiktor Janukowytsch. Laut Meinungsumfragen hat Janukowytsch, der 2004 als Wunschnachfolger von Präsident Leonid Kutschma mit Hilfe von Wahlfälschungen ins Amt gebracht werden sollte, einen komfortablen Vorsprung.
Der Vorsitzende der Partei der Regionen, die vorrangig die Interessen des Großkapitals im Osten des Landes vertritt, liegt in den Umfragen mehr als zehn Prozentpunkte vor seiner schärfsten Rivalin. Doch möglicherweise wähnt sich Janukowytsch zu früh als Sieger. Den Kampfgeist von Timoschenko darf man nicht unterschätzen.
In den vergangenen Jahren hat Janukowytsch, dem mehrheitlich die Wähler in der Ost- und Südukraine ihre Stimmen geben werden, viel für sein Image gemacht. Er ließ sich durch US-Wahlkampfmanager beraten, was ihn allerdings bei den letzten Parlamentswahlen nicht hinderte, seine Stammwähler mit klaren antiamerikanischen Parolen zu bedienen. Doch obwohl Janukowytsch, in seinen Jugendjahren zweimal vorbestraft, sich viel Mühe gegeben hat, salonfähig zu werden, kann man von ihm und seiner Partei nicht erwarten, dass sie das Land in Sachen Demokratie nach vorn bringen.
Letztlich hat sich Janukowytsch von den Wahlfälschungen im Jahr 2004 nicht distanziert, und in seiner Amtszeit als Premierminister in den Jahren 2006 und 2007 ist er vor allem durch den Versuch aufgefallen, Abgeordnete aus anderen Fraktionen im ukrainischen Parlament aufzukaufen. Ebenso naiv wäre es, Timoschenko als Kandidatin der "demokratischen Kräfte" darzustellen. Die ukrainischen "Demokraten", die sich 2004 um den heutigen Präsidenten Wiktor Juschtschenko vereinigt haben, sind längst heillos zerstritten und in unendliche Skandale und Korruptionsaffären verstrickt.
Der Protagonistin der orangenen Revolution wird nicht nur grenzenloser Populismus, sondern auch autokratischer Führungsstil und Machtbesessenheit vorgeworfen. In der ukrainischen Politik geht es nur um die Macht, nicht um die Inhalte, wie der Dauerzwist zwischen Präsident Juschtschenko und der Premierministerin zeigt. Dieser Konflikt hat die Ukraine an den Rand des Ruins getrieben und dem Land international einen immensen Schaden zugefügt.
Besonders viele Stimmen hat Timoschenko im Westen des Landes verloren, der bei den letzten Wahlen zusammen mit Kiew und der Zentralukraine ihre Hochburg war. Die neuen Gasverträge mit Russland, die wenig überzeugende proeuropäische Rhetorik und der Streit mit Juschtschenko sind die wichtigsten Gründe für den enormen Vertrauensverlust. Doch die Ukrainer trauen ihren Politikern ohnehin nicht mehr. Durch ständige Krisen, Korruptionsaffären und Skandale haben sie verspielt.
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