Politische Wende in Guatemala: Die Staatsanwältin soll weg

Guatemalas neuer Präsident Arévalo will das Land verändern – dazu muss er das Justizsystem umbauen. An dessen Spitze steht eine Staatsanwältin.

Maria Consuelo Porras Argueta, Guatemalas Generalstaatsanwältin, hebt während ihrer Vereidigung 2018 im die Hand - neben ihr die Flagge Guatemalas

Maria Consuelo Porras Argueta, Guatemalas Generalstaatsanwältin, bei ihrer Vereidigung 2018 soll gehen Foto: Luis Soto/picture alliance

GUATEMALA-STADT taz | Bernardo Arévalo, der neue Staatschef Guatemalas, will keine Zeit verlieren, um zu initiieren wofür er gewählt wurde: den größten Reformprozess in Guatemalas jüngerer Geschichte. Die erste handfeste Herausforderung ist der Umbau des Justizsystems: von einer willfährigen Justiz im Auftrag der zahlungskräftigen Kreise des Landes zu einer kalkulierbaren, unabhängigen und fairen Justiz.

Dafür – daran herrscht in Guatemala kein Zweifel – muss diese Frau weichen: María Consuelo Porras. Seit gut sechs Jahren gibt die 70-jährige Generalstaatsanwältin den Kurs der guatemaltekischen Justiz vor und hat Rechtsgrundsätze auf den Kopf gestellt: Ihr Zitat, dass jeder und jede, die oder der angeklagt sei, schließlich ihre Unschuld nachweisen könne, hat nicht nur in Guatemala Schlagzeilen gemacht. Warum? Weil der lapidare Satz den Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung auf den Kopf stellt.

An diesem Mittwoch hätte Porras vor Arévalos Kabinett erscheinen und Rechenschaft ablegen sollen – sie tauchte schlicht nicht auf. Eine etwas drängendere Einladung hat sie nunmehr für den 29. Januar.

Arévalo hat sich mehrere Fälle herausgesucht, denen er nachgehen will, darunter jenen der Festnahme und Inhaftierung des prominenten Journalisten José Rubén Zamora, aber auch jene von Claudia González und Virginia Laparra. Beide sind prominente Jurist:innen, die sich verantworten mussten, weil sie sich engagiert hatten.

Erzkatholisch, erzkonservativ, und an den Schalthebeln

Laparra hatte eine korrupten Richter angezeigt und wurde daraufhin wegen Amtsanmaßung zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Schon das Urteil war ein Skandal, aber obwohl es zur Bewährung ausgesetzt wurde, musste die dritthöchste Justizangestellte des guatemaltekischen Staates 18 Monate in Isolationshaft. Die verantwortliche Richterin witterte Verdunkelungsgefahr.

Die Richterin steht laut Experten wie Jorge Santos, Direktor der Menschenrechtsorganisation Udefegua, auf der Lohnliste des „Paktes der Korrupten“. Sie ist nur ein Beispiel für Dutzende von Rich­te­r:in­nen und Staatsanwältinnen, oft in Schlüsselpositionen, die ihre Unabhängigkeit gegen ein pralles Bankkonto eintauschten. Sie stellen zwar bei weitem nicht die Mehrheit des Justizpersonals, aber sie sitzen oft an Positionen, wo sie Druck auf andere ausüben können.

María Consuelo Porras, erzkatholisch und erzkonservativ, ist dafür nur das prominenteste Beispiel. Sie hat sich mit einer Riege von Staats­an­wäl­t:in­nen und Rich­te­r:in­nen umgeben, die das Gleichgewicht im guatemaltekischen Justizapparat haben kippen lassen: „aus dem noch 2019 leidlich unabhängigen wurde ein instrumentalisiertes Justizsystem“, sagt Claudia González.

González war Mitarbeiterin der UN-Kommission gegen Straflosigkeit (CICIG), die 2019 aus dem Land geworfen wurde. Sie ist überzeugt, dass sie, Staatsanwältin Laparra oder Richter wie Miguel Àngel Gálvez nur deshalb sanktioniert wurden, weil sie den mächtigen Familien des Landes zu nahe getreten sind. „Wir haben die Unantastbaren antastbar erscheinen lassen. Das ist unser Vergehen“, sagt die zierliche Frau. Dafür saß Claudia González 81 Tage im Gefängnis, bis ein Richter diese Justiz-Posse ohne tragfähiges Fundament beendete.

Möglichst schnell die Posten neu besetzen

Bei Virginia Laparra dauerte es über 600 Tage, bis die 44-jährige Staatsanwältin aus der Isolationshaft befreit wurde. Miguel Ángel Gálvez ging hingegen über Berlin ins costa-ricanische Exil, um seiner Kriminalisierung zu entgehen. Die Namen der drei gehören zu denen, die immer wieder genannt werden, wenn es um die Reformierung und Neustrukturierung der Justiz in den nächsten Monaten und Jahren geht. Um die zu ermöglichen, muss die von den USA als hochkorrupt, demokratiefeindlich und unerwünscht deklarierte Porras aus der Schaltzentrale der Justiz verschwinden.

Das ist nur der Auftakt. „Danach müssen die höchsten Gerichte neu besetzt werden: mit glaubwürdigen und ehrlichen Juristen“, so González. Die Wahlen zu deren Besetzung stehen turnusmäßig im April und Mai an – ihre transparente Durchführung könnte die Strukturen im Justizsystem innerhalb von kürzester Zeit korrigieren.

„Das hätte in Guatemala Signalcharakter und wäre ein Auftakt nach Maß für die neue Regierung“, so die 56-jährige Juristin. Sie selbst würde nur zu gern ihren Teil dazu beitragen Guatemalas Justiz neu aufzubauen. Doch vorher muss sie den eigenen Prozess gegen die Generalstaatsanwaltschaft gewinnen: bis auf weiteres dirigiert von María Consuelo Porras.

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