Präsidentschaftswahl in Burundi: Ein Tag der Angst
Burundis Präsident bläst zur Wiederwahl, die Opposition will das verhindern. Mancherorts wagt sich kaum jemand in die Wahlkabine.
Die ganze Nacht zum Dienstag, Burundis Wahltag, hallen in der Hauptstadt Schüsse. Granaten fliegen. Zwei Menschen sterben. Als die Sonne am Morgen aufgeht und die Wahllokale öffnen, wagen sich die Menschen nur zaghaft aus den Häusern. Der Psychoterror zeigt Wirkung.
Diesmal scheint es die mittlerweile bewaffnete Opposition zu sein, die die Bevölkerung einschüchtern will. Fast alle Oppositionellen haben ihre Kandidatur zurückgezogen. „Sie haben uns gesagt, wir sollen heute nicht wählen, denn die Wahl sei verfassungswidrig“, sagt der junge Mann in Nyakabiga.
Auch er war Teil der Protestbewegung, als im April und Mai gegen die dritte Amtszeit von Präsident Pierre Nkurunziza demonstriert wurde. Die Proteste wurden mit Gewalt niedergeschlagen, fast 100 Menschen starben. Jetzt radikalisieren sich Teile der Opposition. Sie wollen dafür sorgen, dass die Wahlbeteiligung möglichst niedrig bleibt.
In einem Wahllokal im Viertel Cibitoke am Stadtrand von Bujumbura, vor Monaten eine Hochburg der Proteste gegen Nkurunziza, haben von rund 2.000 registrierten Wählern bis kurz vor Schließung nur 276 ihre Stimme abgegeben. Fast alle waren Polizisten oder Soldaten der Armee. In anderen oppositionellen Vierteln, in Mutakura und Musaga, dasselbe: Überall fast leere Wahllokale. Stimmzettel in die Plastikboxen werfen meist Uniformierte oder deren Frauen.
Im regierungstreuen Stadtteil Kamenge hingegen, gleich neben Cibitoke gelegen und traditionell eine Hochburg von Burundis heute regierenden Hutu-Rebellen, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Von rund 3.150 registrierten Wählern haben um 9 Uhr morgens bereits 636 gewählt.
Dieser und viele weitere Artikel wurden durch finanzielle Unterstützung des Auslandsrecherchefonds ermöglicht.
Doch dies ist mit den langen Schlangen, die bei den vergangenen Wahlen 2010 vor diesem Grundschulgebäude zu sehen waren, nicht vergleichbar. Hinter vorgehaltener Hand berichten Leute, dass sie indirekt gezwungen wurden, wählen zu gehen. Es werde kontrolliert.
Junge Männer mit Sonnenbrillen
In Kamenge sind viele hochrangige Regierungsmitglieder zu Hause, Generäle der Polizei, der Armee und des Geheimdienstes. In einer Kneipe direkt um die Ecke sieht man Offiziere schon am frühen Morgen Bier trinken. In der Grundschule mit dem Wahlbüro wird man das Gefühl nicht los, dass die jungen Männer in Sonnenbrillen, die da scheinbar untätig herumsitzen, genau beobachten, wer zur Stimmabgabe auftaucht und wer nicht. Sobald Journalisten Wähler interviewen wollen, kommen sie näher.
Unterdessen tragen in Nyakabiga, wo die Leiche liegt, junge Männer Steine zusammen und werfen sie auf die Straße, damit Autos nicht mehr passieren können. Autoreifen brennen. Polizisten mit Maschinengewehren warten in sicherer Entfernung auf Befehle.
Eine ältere Frau kommt angelaufen. Ihr Sohn sei vergangene Nacht nicht nach Hause zurückgekehrt, schluchzt sie. Sie guckt nach, ob unter dem weißen Tuch ihr Sohn liegt.
Er ist es nicht. Erleichtert sinkt sie auf die Knie. Ein Mann neben ihr schüttelt fassungslos den Kopf: „Was für ein Terror“, murmelt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!