Präsidentschaftskandidaten in Frankreich: Fillon total in der Defensive
Neue Enthüllungen des „Canard enchaîné“ und neue Vorwürfe der Justiz: François Fillon hat seine politische Karriere verspielt.
Fillon hatte hoffen können, dass diese peinliche Affäre der Gegenseite von ihm und seinem Scheinbeschäftigungsskandal ablenken müsste. Diesen Gefallen haben ihm die Sozialisten nicht getan. Da die Staatsanwaltschaft eine Voruntersuchung angeordnet hat, trat Le Roux als Minister unverzüglich zurück, um die Regierung in keiner Weise zu belasten. Die Regierungspartei kann sich nun damit brüsten, sie sorge in ihren Reihen ohne Wenn und Aber für Ordnung.
Hollande, der Le Roux durch den bisherigen Handelsminister Matthias Fekl ersetzte, forderte von allen hohen Amtsträgern, sie müssten in Sachen saubere Weste und öffentliche Moral „exemplarisch“ sein. Was er nicht erwähnte, ist, dass Le Roux bereits der dritte Minister seiner Amtszeit ist, der wegen Affären zurücktreten musste.
Im Unterschied zu Le Roux beharrt Fillon darauf, trotz der laufenden Ermittlungen an seiner Kandidatur festzuhalten. Er hat damit sein eigenes politisches Lager in größte Schwierigkeiten gebracht. Da er nicht auf seine Nominierung verzichten wollte, konnte seine Partei auch nicht einen Ersatzmann oder eine Ersatzfrau ins Rennen bringen. Mittlerweile hat Fillon, der ursprünglich als klarer Favorit galt, viel Terrain verloren, er liegt mit rund 17 Prozent in den Umfragen weit hinter Emmanuel Macron und Marine Le Pen (je rund 25 Prozent) zurück.
„Authentische“ Unterlagen
Zum dümmsten Zeitpunkt für ihn kommen nun noch neue Elemente zum Dossier François und Penelope Fillon hinzu. Zuerst hatte man noch geschmunzelt, als von extrem teuren maßgeschneiderten Anzügen die Rede war, die ihm ein bekannter Afrika-Lobbyist geschenkt hat.
Zudem hat die Satirezeitschrift Le Canard enchaîné Dokumente veröffentlicht, die vermuten lassen, dass Fillon als Parlamentarier gleichzeitig gegen Bezahlung für die Erdölgesellschaft Total als Vermittler bei Putin tätig war. Wem kann man es verdenken, da an ähnliche Kontakte aus dem Umfeld von Donald Trump erinnert zu werden?
Eine weitere Eskalation kommt jetzt noch von der Justiz, die ihn aufgrund der bisherigen Ermittlungen zusätzlich des „schweren Betrugs“ und der Fälschung verdächtigt. Namentlich soll das Ehepaar Fillon Dokumente gefälscht haben, mit denen der Polizei belegt werden sollte, dass die Gattin tatsächlich gearbeitet habe. Fillon versichert dagegen, alle Unterlagen seien „authentisch“. Auch Putin ließ mitteilen, er brauche keine Vermittler (wie Fillon) für geschäftliche Verhandlungen. Ein echtes Dementi zugunsten von Fillon ist das nicht. Er ist jetzt total in der Defensive.
Sowohl die Sozialisten wie auch der Außenseiter-Kandidat Nicolas Dupont-Aignan haben Fillon aufgefordert, seine Kandidatur angesichts dieser Häufung von Vorwürfen und Verdachtsmomenten zurückzuziehen. Laut der Verfassung wäre es theoretisch möglich, die Wahl nach dem Ausfall eines Kandidaten um ein paar Wochen zu verschieben. Die Autoren der Verfassung hatten eher an einen plötzlichen Todesfall gedacht, aber kaum an ein politisch suizidales Verhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten