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Präsidentenwahl in RumänienRechts außen auf Siegeskurs

Bei der Wahl am Sonntag könnte George Simion auf dem ersten Platz landen. Dennoch dürfte zwei Wochen später eine Stichwahl stattfinden.

Hat offensichtlich nicht nur Fans. Ein beschädigtes Wahlplakat des Präsidentschaftskandidaten George Simion in Bukarest Foto: Andreea Campeanu/reuters

Berlin taz | Der Wahlkampf um das höchste Staatsamt in Rumänien ist mit einer dreiteiligen Telenovela zu Ende gegangen. Vor laufenden Kameras lieferten sich die Kandidaten einen aggressiven Schlagabtausch, der von geifernden Moderatoren angeheizt und von grölenden Fans beklatscht wurde.

An diesem Sonntag sollen die etwa 19 Millionen rumänischen Wahlberechtigten darüber entscheiden, wer von den 11 Bewerbern am 18. Mai in die Stichwahl kommt und danach fünf Jahre lang an der Spitze des Staates steht.

Glaubt man den Umfragen hat George Simion, der Kandidat der rechtsradikalen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) die besten Chancen die zweite Runde zu erreichen. Er könnte über 30 Prozent der Stimmen erhalten, gefolgt von Crin Antonescu, dem gemeinsamen Kandidaten der rumänischen Regierungsparteien.

Die Koalition besteht aus der pseudosozialdemokratischen und nationalistischen PSD, der National-Liberalen Partei (PNL) und dem Demokratischen Verband der Rumänienungarn (UDMR). Letztere ist zu einer Kopie der nationalkonservativen Ideologie des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán verkommen ist.

Erklärter Trump-Fan

Der frühere Chef der National-Liberalen Crin Antonescu und der parteilose Bukarester Oberbürgermeister Nicuşor Dan liegen gleichauf und kämen auf jeweils etwa 20 Prozent. Ebenso der frühere PSD-Chef, Victor Ponta, der sich jetzt als Unabhängiger und erklärter Trump-Fan geriert und verspricht, die Vorherrschaft der anti-nationalen Globalisten Rumäniens zu zerschlagen.

Simion tritt jetzt mit dem Anspruch an, das Programm des Ökofaschisten, Trumpsympathisanten und Esoterikers Călin Georgescu durchsetzen zu wollen und Rumänien in ein goldenes Zeitalter zu führen.

Georgescu hätte vermutlich den vom Verfassungsgericht im vergangenen Dezember annullierten zweiten Wahlgang gewonnen. Gegen ihn wird zur Zeit wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung ermittelt. Der Vorwurf, eine ausländische Macht habe ihn während des Wahlkampfes in den sozialen Netzwerken unterstützt, wurde bislang nicht glaubwürdig belegt. Eine Beteiligung an der jetzigen Wahl wurde ebenfalls gerichtlich unterbunden.

Simion und die Anhänger Georgescus hatten eine Wiederholung des 2. Wahlgangs verlangt. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, versprach Simion, diese „Ungerechtigkeit des Systems“ im Falle seines Wahlsieges in Ordnung zu bringen. Zur ersten Fernsehdebatte kam Simion mit einem weißen Blumenstrauß, den er Elena Lasconi überreichte. Als Kandidatin der neoliberalen Union Rettet Rumänien (USR) war Lasconi bei den annullierten Wahlen mit Georgescu in die Stichwahl gekommen.

Zweifelhafter Vorwand

Simion nutzte nun geschickt die Fernsehkulisse, beglückwünschte Lasconi und beanstandete das Vorgehen gegen Georgescu. Damit verabschiedete er sich aus der Runde und weigerte sich, auch an den beiden folgenden TV-Debatten teilzunehmen. Einige seiner Gegner warfen ihm vor, er sei ein Feigling und habe sich unter einem zweifelhaften Vorwand der Konfrontation mit seinen Gegenkandidaten entzogen.

Adrian Papahagi, Dozent an der Universität Cluj und Mitunterzeichner eines offenen Unterstützerbriefes für Nicuşor Dan, bezeichnete Simion als einen „schlauen Roma“ und „Halunken, der versucht, elegant und höflich aufzutreten“. Der Vorsitzende der Roma Partei ARESEL, Dumitru Giuliano, reagierte sofort und forderte die Universität aus Cluj auf, Stellung gegen die „rassistische Entgleisung“ Papahagis zu beziehen. Der durch seine rechtskonservativen Ansichten bekannte Dozent hat seine bei Facebook gepostete Aussage korrigiert und das Wort „Roma“ mit dem für Romamusiker abwertenden Begriff „Manelist“ ersetzt.

Recht auf Abtreibung

Die TV-Debatten verliefen genauso substanzlos wie der gesamte Wahlkampf. Die Kandidaten bemühten sich eher darum, ihre patriotischen und christlich-orthodoxen Überzeugungen hervorzuheben, als konkrete Probleme anzusprechen. Sie bevorzugten es, wie in der letzten Debatte am vergangenen Mittwoch, mit der Bibel in der Hand herumzufuchteln und sich gegenseitig mit erfundenen oder übertriebenen Vorwürfen zu überschütten.

Einer der Kandidaten, ein ehemaliger griechisch-katholischer Pfarrer und derzeit Abgeordneter im EU-Parlament, Cristian Terheş, versprach als zukünftiger Präsident, die Verfassung zu ändern und darin die Ehe als einzig anerkannten Bund zwischen Mann und Frau zu verankern.

Elena Lasconi, die von ihrer USR-Partei zugunsten Nicuşor Dans fallen gelassen wurde, verkündete, sie würde das Recht auf Abtreibung in das Grundgesetz schreiben. Nicuşor Dan beschrieb sie als zwielichtigen Strippenzieher, der sie über Mittelsmänner habe überzeugen wollen, auf die Kandidatur zu verzichten. Er bestritt die Vorwürfe, weigerte sich aber der Forderung Lasconis nachzukommen und mit der Hand auf der Bibel zu schwören, er habe niemals gelogen.

Keiner der 11 Kandidaten wird im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Die Stichwahl findet am 18. Mai statt.

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1 Kommentar

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  • Ob es der Kapitalismus ist, der als Brandbeschleuniger des Rechtsextremismus wirkt? Die Entwicklung in Europa scheint mir jedenfalls diese These nicht zu widerlegen.