Präsidentenwahl in Honduras: Konservativer gewinnt Mehrheit
Agrarunternehmer Porfirio Lobo siegt bei dem strittigen Urnengang in dem mittelamerikanischen Land. Der Wahlrat spricht von hoher Beteiligung. Die Opposition will demonstrieren.
TEGUCIGALPA tazEs war wie eine Reise zurück in die Siebziger- und Achtzigerjahre, als in Zentralamerika die Generäle das Sagen hatten: Eine fast gespenstische Wahl unter Militäraufsicht, mit Soldaten in voller Kampfmontur vor jedem Wahllokal. Unten auf den Straßen aber herrschte ungewöhnliche Stille und auch an den Urnen war nicht viel los.
Und trotzdem verkündete der Wahlrat am späten Sonntagabend eine Zahl, die jedem Augenschein widersprach: Knapp über 66 Prozent der Wahlberechtigten hätten ihre Stimme abgegeben, rund zehn Prozentpunkte mehr als bei der Wahl von vor vier Jahren. Der Wahlsieger war weniger wichtig: Der 61-jährige Agrarunternehmer Porfirio Lobo von der rechten Nationalen Partei gewann nach vorläufigen Zahlen mit rund 56 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sein Kontrahent Elvin Santos von der Liberalen Partei blieb mit knapp 39 Prozent weit dahinter. Die restlichen drei Kandidaten erhaschten nur kleine Häppchen vom Stimmenkuchen.
Die denkwürdige Pressekonferenz des Wahlrats fand drei Stunden später statt als angekündigt. Das Gremium erklärte die Verzögerung der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses lapidar mit einer technischen Panne im Computersystem und holte dann zu einer politischen Rechtfertigung des Wahltheaters unter Putschbedingungen aus: Man habe der Welt ein Beispiel von Demokratie gezeigt. Die Honduraner hätten sich nicht einschüchtern lassen von internationalen Drohungen, man werde die Wahl nicht anerkennen. Sie seien massenhaft an die Urnen geströmt. Genau das hatten die Putschisten als Ziel ausgegeben: Mehr Wähler als beim letzten Mal, als Manuel Zelaya Sieger war. Mission erfüllt.
Die Wahl vom Sonntag war schon vor dem Putsch, bei dem Zelaya Ende Juni entmachtet wurde, terminiert. Die im "Widerstand gegen den Staatsstreich" zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen hatten zum Boykott aufgerufen und waren in Siegeslaune. "Wir haben eine große Schlacht gewonnen, indem wir einfach zu Hause blieben", sagte Widerstandssprecher Luis Méndez der taz. Nach seiner Einschätzung haben sich 30, höchstens 35 Prozent der Berechtigten an der Wahl beteiligt. Zelaya meldete sich telefonisch aus der brasilianischen Botschaft, wo er seit zwei Monaten ausharrt, mit noch niedrigeren Zahlen. Seine Beobachter hätten 400 Wahllokale überwacht und eine Beteiligung von teilweise gerade 25 Prozent festgestellt.
Zu größeren Sympathiekundgebungen für Zelaya kam es nur vereinzelt. Widerstandsführer Rafael Alegría erklärte das mit der Repression, mit der Demonstrationen der Zelaya-Anhänger in den Tagen nach dem Putsch aufgelöst worden waren. "Die meisten Führer des Widerstands leben im Untergrund", sagte Berta Oliva, Vorsitzende der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Cofadeh. Demonstriert wurde nur in San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dort zogen rund 2.000 Wahlgegner durch die Straßen. Für Montag hat der Widerstand zu einer Demonstration in Tegucigalpa aufgerufen.
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