Präsident von Wismut Gera: In der Opferrolle
Lars Weber, Präsident mit rechter Vergangenheit, gibt seinen Posten bei Wismut Gera auf. Der Verein sieht die Schuld in der medialen Berichterstattung.
BERLIN taz | Wismut Gera hat keinen Präsidenten mehr. Lars Weber, 40, ist am Sonntag zurückgetreten. Diese Zeitung und auch Zeit Online hatten über Webers Nähe zur rechten Szene berichtet. „Durch die öffentliche Darstellung, im Zusammenhang mit Lars Weber als ersten Vorsitzenden, der in einer schwierigen Personalsituation Verantwortung übernahm, ist dem Geraer Traditionsverein ein Imageschaden entstanden, der seine Ursache in der undifferenzierten Betrachtung hat“, heißt es in einer Pressemitteilung von Wismut Gera.
Schuld am Rückzug, wird insinuiert, seien die Medien und die Arbeit des Runden Tisches für Demokratie und Menschlichkeit, der sich am vergangenen Montag mit der Personalie Weber befasst hatte. Der Expräsident hatte sogar eine Einladung für das Treffen von Parteien- und Vereinsvertretern sowie engagierten Geraer Bürgern erhalten, ließ aber über seinen Anwalt mitteilen, dass er nicht erscheinen werde.
Es hätte eine Möglichkeit sein können, um stichhaltig darzulegen, dass er sich von der rechten Szene verabschiedet hat oder dies plant. Weber ließ die Chance verstreichen. Am Freitag dann lud der Stadtsportbund einige Sponsoren von Wismut Gera zu einem Treffen. Neben der Geraer Bank, der Sparkasse oder Köstritzer unterstützen auch kleinere Unternehmer Wismut Gera. Sie drängten wohl ebenfalls auf einen Rückzug des Präsidenten mit dem zweifelhaften Ruf.
Seit mehreren Jahren waren Weber und seine Sicherheitsfirma Alpha DSD bei Wismut im Einsatz. 2010 war der damals wegen Körperverletzung vorbestrafte Weber in den Vorstand von Wismut berufen worden, Anfang September dieses Jahres haben ihn die über 200 Mitglieder des Sechstligisten zum Präsidenten gekürt.
Gerichtsfester „Neonazi“
Weber mimt seit mehreren Jahren den biederen und politisch unauffälligen Geschäftsmann, doch wenn er seinem Hobby als Kampfsportler nachging, dann umgab er sich bisweilen mit Rechtsextremen, zum Beispiel mit dem Holocaust-Leugner Marcel Wöll, der wegen Volksverhetzung eine viermonatige Haftstrafe verbüßen musste. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Jena aus dem Jahr 2008 (Az. 1U635/08) darf man Weber als „Neonazi“ bezeichnen. Bis zu diesem Zeitpunkt trat er in Gera und Umland „rechtsnational und gewalttätig“ auf, wie eine Quelle berichtet. Eine Polizeisprecherin hielt 2005 fest, Weber „sympathisiere“ mit der rechten Szene.
Während viele in Gera nun „aufatmen“, wie eine Mitarbeiterin von Mobit, der Mobilen Beratung in Thüringen für Demokratie, berichtet, gibt es auch andere Stimmen, die sich ähnlich wie ein Leserbriefschreiber in der Ostthüringer Zeitung äußern: „Unglaublich, wie man engagierte Bürger in Gera ausbremst, nur weil sie kein Parteibuch der PDS haben.“
Das Geraer Infoportal „Fettgusche“ verbreitet via Twitter, die „Linken“ seien am Rückzug von Weber schuld. Andere schreiben, mit Weber und dessen Sicherheitsfirma habe wenigstens „Ruhe und Sicherheit“ auf den Rängen geherrscht, jetzt befürchte man eine Machtübernahme der Wismut-Ultras, einer Fangruppierung, die sich unpolitisch gibt, aber nichtsdestotrotz Weber auf dem Posten des Präsidenten für „untragbar“ hielt.
Bleibt festzuhalten, dass bei Wismut Gera nur eine Personalie entschieden ist – mehr nicht. Weiter im Amt bleibt Jugendleiter Jens Seidel, der sich mehrfach verbale rechtsextreme Entgleisungen („Judenschweine“; „Heil Hitler!“) geleistet hat. Auch hierüber berichtete die taz.
Eigentlich hatte Lars Weber, Kampfname Buddha, viel vor mit Wismut. Er wollte „mehr Höhepunkte für den Geraer Fußball schaffen“, die Zuschauerzahl erhöhen und das Spiel der Mannschaft attraktiver machen; es gebe „richtig viel zu tun“. Seine sportlichen Aktivitäten muss er nun wohl mehr auf seine Kampfsportgruppe „Battleholics“ verlegen, der Nachfolgevereinigung des berüchtigten Eastfigt-Vereins, der Käfigkämpfe, sogenannte Fight Clubs, in Gera und Ronneburg veranstaltet hat.
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