Posthumes Album von Prince: Marginalien des Prince-Universums
Aus dem Nachlass: „Welcome 2 America“, das dritte nach dem Tod veröffentlichte Album des Superstars knallt, enthält aber auch einige Lückenfüller.
Über kaum einen Nachlass wird in der Popwelt so viel spekuliert wie über den von Prince. Dies ist wenig verwunderlich, denn der 2016 gestorbene, ultraproduktive US-Multiinstrumentalist mit dem frivolen Falsett war eine der prägenden Künstler des späten 20. Jahrhunderts. In seinem Tresor lagern zahlreiche unveröffentlichte Aufnahmen, die inzwischen von den beiden US-Musikmanagern Troy Carter und Michael Howe („The Prince Estate“) verwaltet werden, gemeinsam mit den Erben.
Auch „Welcome 2 America“ befand sich im sagenumwobenen „Prince Vault“, es ist vor wenigen Tagen als drittes posthumes Prince-Album erschienen. Es ist das erste Werk aus seinem Nachlass, das er selbst als Album konzipiert hatte: Im Jahr 2010 ging Prince auf „Welcome 2“-Tour und hatte alle Stücke für das dazugehörige Album bereits fertiggestellt, doch es erschien nie.
Nun, da es in der Welt ist, kann man sagen: Die Pop- und Prince-Geschichtsschreibung verändert die Musk nicht, dazu bewegen sich die Songs zu sehr innerhalb der gewohnten Umlaufbahnen des Meisters aus Minneapolis. Aber erstaunlich weitsichtig, bemerkenswert gegenwärtig klingt es dennoch an vielen Stellen.
Vor allem das einleitende Titelstück knallt textlich und musikalisch. Dafür sorgen der eingängige, funkige Bass-Einstieg, die etwas klebrigen Synthesizer-Klänge, Wah-Wah-Effekte einer Gitarre und die souligen Chöre seiner Sängerinnen Shelby J., Elisa Fiorillo und Liv Warfield – der Sound knüpft nahtlos an die alte Prince-Magie an.
Land of the free
Der Text erzählt ironisierend vom amerikanischen Traum und vom moralischen Verfall der USA. „Land of the free, home of the brave / Oops, I mean / Land of the free, home of the slave […] America can provide many opportunities / For the young female who wishes to work (for the state) / For her own advancement up from the underclass to become one“. Rassismus und Klassismus in den USA, Postkolonialismus, Feminismus, auch die Implikationen der Smartphone-Ära: All das, was den Mainstream-Pop der Zehnerjahre beschäftigen wird, ist in diesen Zeilen angelegt.
Wie wenig die alten Wunden geheilt sind, zeigt auch „Running Game (Son of a Slave Master)“. In dem Song, stilistisch zwischen R&B, Soul und HipHop angesiedelt, spielt Prince mit der Mehrfachbedeutung des Begriffs „Running Games“, was so viel heißen kann wie jemanden betrügen oder jemanden nur für Sex benutzen.
Prince und seine (schwarze) Duett-Partnerin Shelby J. singen: „Son of slave master / Keepin’ it goin’ / Goin’, goin’, goin’“ Beide erzählen also davon, wie die gegenwärtige US-Gesellschaft immer noch von der Geschichte der Sklaverei geprägt ist, wie Schwarze oftmals weiterhin als Menschen zweiter Klasse betrachtet und ausgenutzt werden.
Es finden sich zweifelsohne weitere schöne Stücke auf diesem Album, etwa das soulige „Born 2 Die“ und die Ballade „When She Comes“, in der auch erstmals seine hohe Kopfstimme zur Geltung kommt, mit der Prince bereits die Achtziger mit Zuckerguss überschüttete.
Aus dem Giftschrank
Doch „Welcome 2 America“ enthält eben darüber hinaus auch Songs, die man glatt als Lückenfüller bezeichnen kann. „Hot Summer“ klingt eher, als sei es aus dem Giftschrank von Bryan Adams als aus dem Tresor von Prince.
Auch die balladeske Coverversion des Soul-Asylum-Songs „Stand up and B Strong“ wirkt recht überflüssig, und dann sind da auch noch Stücke, die so uninspiriert ausfallen, dass sie die HörerInnen völlig unberührt lassen. Dazu zählt der Crossoversong „Check The Record“.
Für Fans des Signatursounds, den Prince in den frühen 1980ern entwickelte, dürften auf „Welcome 2 America“ die positiven Seiten überwiegen. Wer aber neue Facetten des flamboyanten Popstars entdecken will, dem seien eher die posthumen Alben „Piano & A Microphone 1983“ (2018) und „Originals“ (2019) nahegelegt. Darauf sind teils sehr überraschende Versionen seiner großen Hits zu hören.
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