Postenverteilung im Bundestag: Wie auf dem Basar
Wie wird man Chef eines Bundestagsausschusses? Was zählt, sind: Mundart, Quote, Entsorgung. Kompetenz jedoch ist kaum gefragt.
BERLIN taz | Beim Neujahrsempfang der Deutschen Forschungsgemeinschaft treffen sich die Großkopferten der Wissenschaftszene. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) scherzt mit DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek, Bildungspolitiker umschwänzeln Rektoren, und jeder scannt nebenbei die Namensschilder der Umstehenden. Eines fehlte am Montag: das der frisch gekürten Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Patricia Lips (CDU).
Lips? Die Handelsfachwirtin aus dem Wahlkreis Odenwald ist dort gut vernetzt in der Mittelstandsvereinigung und Gastgeberin des beliebten Mundartabends. Zu bildungspolitischen Fragen hat sie sich noch nie geäußert. „Es ist völlig schleierhaft, wie sie an den Ausschussvorsitz gekommen ist“, sagt der Geschäftsführer der örtlichen Grünen.
Die Lösung ist einfach und komplex zugleich. Der Bundestag ist als Arbeitsparlament in 23 Ausschüsse gegliedert. Bevor sie sich an diesem Mittwoch zum ersten Mal konstituieren, spielen die Parteien Politiker-Sudoku. Die Union darf ihrem Wahlergebnis gemäß 12 Chefposten besetzen, die SPD 7, Linke und Grüne je 2.
Die Bedeutung der Ausschussvorsitzenden ist für Regierungs- und Oppositionsparteien unterschiedlich. Bei Union und SPD geht der Ausschuss eher an die Leute, die keinen der höherwertigen und besser bezahlten Posten von Ministerium bis Fraktionsvize bekamen, aus Quoten- und Länderproporzgründen aber dennoch bedient werden sollten.
Weil Helge Braun aus Gießen ins Kanzleramt umzieht, wird sein Hessen-Stuhl im Bildungsausschuss frei. Für diesen qualifizierte sich Lips, weil sie Hessin, weiblich und seit 12 Jahren im Bundestag ist. Fachkompetenz? Geschenkt. Jemand wie Norbert Röttgen (CDU), der 2012 als Verlierer der NRW-Wahl in Ungnade fiel, kann als Chef des Auswärtigen Ausschusses dagegen so tun, als habe er ein Comeback.
Für Linksfraktion und Grüne spielen vor allem Entsorgungs- und Repräsentationsmöglichkeiten eine Rolle. Gesine Lötzsch etwa wird in der Linkspartei von vielen verehrt, weil sie als Parteichefin bereits große Leidensfähigkeit zum Wohle der Partei bewiesen hat.
Von der Fraktionsspitze zum Haushaltsausschuss
Nur kann sie in der Fraktionsspitze niemand mehr gebrauchen. Also bekommt sie den sehr wichtigen Haushaltsausschuss, wo sie der Union beweisen kann, dass es sich 24 Jahre nach der Wende nicht mehr lohnt, der Linkspartei den Respekt zu verweigern. Der Hang der Union, die Linke von parlamentarischen Betriebsabläufen auszuschließen, ist immer noch spürbar.
Die Grünen setzen ihre Exfraktionschefin Renate Künast auf den Chefsessel des Verbraucherausschusses und Künasts Ex-Vize Bärbel Höhn auf den des Umweltausschusses. Dadurch schaffen sie in der Fraktion Platz für all die nachströmenden Umwelt- und EnergiepolitikerInnen, die jetzt an der Wichtigkeit des grünen Oberthemas teilhaben wollen, und glänzen gleichzeitig mit Sachkompetenz.
Ein Ausschussvorsitzender hat im Vergleich zu einem US-Chairman of the Committee wenig zu sagen. Aber das weiß ja niemand. Bei Auslandsreisen, heißt es, werde man behandelt, als sei man Zweitwichtigster nach Angela Merkel.
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