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Posten im LandesverfassungsgerichtDie abgeblockte Anwältin

Luise Greve
Kommentar von Luise Greve

2018 hat Seda Başay-Yıldız den Tunesier Sami A. als Strafverteidigerin vertreten. Dass sie damals ihren Job gemacht hat, verbaut ihr eine neue Stelle.

Wird von der CDU als Verfassungsrichterin abgelehnt: Seda Başay-Yıldız Foto: Oliver Hebel / dpa

V or sechs Jahren hat die Anwältin Seda Başay-Yıldız als Straf­ver­tei­di­ge­rin den mutmaßlich salafistischen Prediger Sami A. vertreten. Seine Abschiebung nach Tunesien war im selben Jahr vom Oberverwaltungsgericht Münster für „evident rechtswidrig“ erklärt worden. Der Fall, den sie als eine Urlaubsvertretung von einer Kollegin übernahm, begleitet sie noch immer. Denn dass sie damals ihren Job gemacht hat, macht ihr die folgenden Jahre das Leben schwer. Und verbaut ihr nun ungerechterweise wohl auch noch eine große berufliche Chance.

Medienberichten zufolge erschwert die CDU ihr eine neue Stelle als Richterin in Berlins Verfassungsgerichthof. Um die Stelle zu bekommen, müsste Başay-Yıldız im Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Der Vorwand für die Ablehnung der Kandidatin: Anscheinend die Tatsache, dass sie einen mutmaßlichen Islamisten vertreten hat.

Die Grünen-Fraktion hatte Seda Başay-Yıldız schon vor Monaten als Verfassungsrichterin vorgeschlagen. Wie es nun weitergeht, ist unklar: „Wir sind in konstruktiven Gesprächen. Zu Personalfragen und Details interner Verhandlungen äußern wir uns nicht“, heißt es auf taz-Nachfrage vom grünen Fraktionsvorsitzenden Werner Graf. Fest steht: Seda Başay-Yıldız brächte als NSU-Opferanwältin wohl noch ein paar neue Perspektiven mit. Auch ist der Verfassungsgerichthof des Landes Berlin bisher wenig divers. Ludgera, Robert, Sabrina, Jürgen – das sind die Vornamen von einigen ihrer potenziellen neuen Kolleg:innen. Keiner der Rich­te­r:in­nen hat einen Migrationshintergrund.

Die 48 Jahre alte Başay-Yıldız arbeitet seit 2003 als Rechtsanwältin in Frankfurt am Main und engagiert sich seit vielen Jahren für die Opfer von rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Im NSU-Prozess von 2013 bis 2018 hat sie die Familie von Enver Şimşek vertreten, den der NSU im September 2000 erschossen hatte. Außerdem vertritt sie die Familien von Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoğlu und Gökhan Gültekin, die 2020 beim rechtsextremen Terrorangriff von Hanau ermordet wurden.

Konsequenzen für Job als Strafverteidigerin

Sami A. hat sie aber 2018 als Strafverteidigerin vertreten. Und in Deutschland hat jeder Mensch ein Recht darauf, verteidigt zu werden. Seda Başay-Yıldız hat also einfach nur ihren verfassungsrechtlichen Job gemacht, und sich dabei in keinster Weise schuldig gemacht. „Jedermanns Würde beachten. Das ist Leitkultur“ steht als Banner auf Seda Başay-Yıldız X Account (ehemals Twitter). Das dürfte der Wahlspruch sein, nachdem sie damals gehandelt hat.

Es ist eine Einstellung, mit der sie sich Feinde gemacht hat. Schon lange vor der Debatte um Başay-Yıldız als potenzielle Verfassungsrichterin geriet sie in die Öffentlichkeit. Die Bild titelte 2018, Başay-Yıldız würde „Osama Bin Ladens Leibwächter“ verteidigen. Sie und ihre Familie erhielten Morddrohungen, Başay-Yıldız wurde unter anderem als „miese Türkensau“ bezeichnet. In einer weiteren Drohung hieß es, man würde ihre damals zweijährige Tochter „zur Vergeltung schlachten“. Unterzeichnet wurde teilweise mit „NSU 2.0.“. Der Verfasser dieser Drohungen wurde 2022 verurteilt.

Neben öffentlicher Anfeindung ein weiterer Schlag ins Gesicht für Başay-Yıldız: Im Zuge eines Untersuchungsausschuss zum Fall Walter Lübke wird ihre Meldeadresse für alle Ausschussmitglieder, auch die AfD und somit für Rechtsextremisten, zugänglich gemacht. Axel Wintermeyer, CDU-Mann und damals Chef der Hessischen Staatskanzlei, wollte die Daten partout nicht schwärzen, auf die Adresse machte er dreisterweise sogar noch einmal in einer Mail aufmerksam.

Dass einer Anwältin, die sich ihre ganze Karriere gegen rechtsextreme Gewalt und damit für Verfassungsschutz eingesetzt hat, wohl diese Stelle als Richterin verwehrt wird, ist eine Schande. Nachdem sie jahrelang beleidigt und von Nazis bedroht wurde, wird sie wieder an den Pranger gestellt.

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Luise Greve
Schreibt im Berlinteil über Rechtsextremismus, Feminismus und Soziales. Studiert in Leipzig, macht ansonsten viel Radio und Social Media zu klimapolitischen Themen.
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10 Kommentare

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  • Seit wann wird ein RA dazu gezwungen, als Urlaubsvertetung jemand strafzuverteidigen?

  • wen sie wann vertreten musste, oder wollte ist nicht von großer Bedeutung. Sie ist in ihrem Wesen nicht mit der Doktrin der Unionsparteien eins. Ein solcher Richterposten ist nunmal politisch.



    In den USA ist das ganz normal. Ein ortodoxer President führt zu vielen ortodoxen Richtern. Ein liberaler President versucht seine Leute an die richtigen Positionen zu bugsieren.



    Politik, mehr nicht

  • In zwei Jahren wird im 2. Senat beim Bundesverfassungsgericht etwas frei. Und wer Vornamen und Fotos der beiden Senats in gleicher Weise scannt, erkennt eine Chance zur Retourkutsche an die CDU CSU Strategen. Wenn nicht im Land, dann eben beim Bund.

  • Sie hat durchaus beachtliche Leistungen erbracht, die aber wenig mit Verfassungsrecht zu tun haben. Divers und Antirechts sind doch keine Qualifikationen als Verfassungsrichterin.

    • @Waldläufer:

      Sie hat durchaus beachtliche Leistungen erbracht, die aber wenig mit Verfassungsrecht zu tun haben.



      ----



      Sie hat als Anwältin Mandanten zu ihren gesetzlichen & auch verfassungskonformen Rechten verholfen.



      Wer nicht gerade an einer UNI Verfassungsrecht "lehrt", an einem Verfassungsgericht arbeitet, hat als Jurist genau so wenig "Ahnung" davon, wie die o.a.



      Die "Befähigung zum Richteramt" hat sie höchstwahrscheinlich, so wie X-andere Juristen auch.



      Da ist es ziemlich gleich in welcher, nicht mit "Verfassung" befassten Sparte, eine Juristin vorher als Anwalt, Richter, StA gearbeitet hat!



      Denn die von Dir bemängelte "Nicht-Qualifikation" findest du bei allen Kandidaten, mit der Ausnahme s.o.! :-(

      • @Sikasuu:

        Stimmt schon, Habartz und Baer waren die miesesten Beispiel für die Wahl von Parteikadern. Nur sollte es keinen Wettbewerb nach unten geben: Sie sollte ihre beachtliche Arbeit da leisten, wo sie Spitze ist. Wir brauchen keine Aktivisten ohne spezielle Kenntnisse, egal ob CDU und Grüne. Divers sollte nie ein Qualifikationsmerkmal sein.

        • @Waldläufer:

          Wir brauchen keine Aktivisten ohne spezielle Kenntnisse, egal ob CDU und Grüne. Divers sollte nie ein Qualifikationsmerkmal sein.



          ---



          Und wo willst DU die finden? Außer im Hochschulbereich "Verfassungsrecht" oder bei ehemaligen Verfassungsrechtlern?



          Die "Grundausbildung " & die Befähigung zum Richteramt" haben viele aus der Abteilung JUS!



          Meinst du, das ein Ing, Maschinenbau dann auch nur VW's bauen darf, weil ein von Opel oder Ford ja keine Ahnung hat?



          Erscheint mit ähnlich!



          Mit Partei-Auswahl ist es auch schwierig. In Verfassungsgerichten sollten mMn. alle relevanten Gruppen vertrete sein & dazu gehören auch Menschen, wenn die Rahmenbedingungen, s.o. stimmen, auch Menschen mit Migrationshintergrund, diversen Anschauungen & Lebensweisen, uvam.!



          Sind ja nicht nur 2-3 in DE sondern eine doch recht große Zahl unserer Mitbürger, die auch eine "hier juristische Meinung" zur/über unsere Verfassung haben! :-)

  • Sieht mensch mal wieder: Teile der CDU betrachten die Rechtextreme als ihr Haustier. Das Geschwätz mit der Brandmauer ist eben doch nur... Geschwätz.

    Dabei wäre ein Mensch wie Frau Başay-Yıldız gerade jetzt sehr wichtig an so einer Stelle.

    • @tomás zerolo:

      Dass die Brandmauer nur Geschwätz ist, weiß man in Berlin seit Sören Benn.

  • Wer nicht im Sinne der CDSU-Amigos arbeitet, hat es nicht leicht in diesem Leben.



    Schon allein der Hinweis der auf Axel Wintermeyer, CDU-Mann und damals Chef der Hessischen Staatskanzlei, er wollte die Daten partout nicht schwärzen, und machte auf die Adresse sogar noch einmal in einer Mail aufmerksam, spricht Bände, welch Werte in der CDSU in Wahrheit vertreten werden. By the way.



    Wieder ein Fall von massiven amtlichen Verfehlungen der wohl Niemanden in der gewählten politischen Bürgervertretung hinsichtlich Rechtsstaatlichkeit interessiert und schon gar nicht in der CDSU.



    Werte? Die stehen vielleicht in einem Werteprogramm einer Partei oder auf Papier. Gelebt werden diese nur nach Belieben. Das zerstört jegliches Vertrauen in die demokratische Grundordnung.



    Und damit die Herrschaft der Amigos weiterhin aufrecht erhalten werden kann, versucht man wie in Polen, Ungarn, oder anderen Ost-europäischen Staaten die Judikative im eigenen Sinne zu manipulieren und sich wohlgesonnene Richter zu ernennen. Auch hier wieder eine self-fulfilling prophecy der AfD ohne auch nur in Regierungsveranwortung zu sein. Macht so weiter und das "vierte Reich" wird uns sicher sein.