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Positionierungen zum NahostkonfliktUnbehagen im Gedenken

Kommentar von Uta Schleiermacher

Einen Monat nach der Terrorattacke auf Israel scheinen die Fronten im Gedenken und im Protest verhärtet. Was wäre eine breit anschlussfähige Geste?

Viel Dunkel, wenig Licht – das ist gerade die Stimmung bei vielen Foto: imago

J a, es ist kompliziert. Erstmal ist es anstrengend, die Hintergründe und Ursprünge des Nahost-Konflikts verstehen zu wollen. Und dann ist es auch herausfordernd, die eigene Solidarität, die eigene Perspektive, die eigene Kritik auf die Straße zu tragen. Denn zu oft gerät man dort in die Nähe von Positionen, zu denen man eigentlich Abstand wahren wollte.

So wie auf den propalästinensischen Demonstrationen, bei denen viele Teil­neh­me­r*in­nen wohl das grundsätzliche Anliegen teilen, auf die Not der Menschen im Gaza-Streifen und zunehmend auch im Westjordanland hinweisen zu wollen. Und dann dreht man sich um, und plötzlich steht dann doch jemand mit einem Plakat direkt neben einem, bei dessen Botschaft man zurückschreckt: Weil sie das Existenzrecht Israels in Frage stellt, weil sie antisemitisch ist, oder vielleicht auch einfach, weil man sich nicht sicher ist, was da eigentlich in letzter Konsequenz gefordert wird.

Unwohlsein ereilen kann einen auch bei den eher staatstragenden Gedenkveranstaltungen, zu denen Parteien oder israelnahe Vereine in den vergangenen Wochen aufgerufen haben. So wie etwa beim Gedenken an die Opfer und die Geiseln am Brandenburger Tor, organisiert von der deutsch-israelischen Gesellschaft am Dienstagabend, am Tag genau einen Monat nach der Terrorattacke. Auf der Bühne sagte der Gesandte der israelischen Botschaft, dass das erste Ziel sei, die Hamas zu vernichten und (erst) das zweite, alle Geiseln nach Hause zu holen. Im Publikum hielt ein Mann ein Schild hoch mit der Forderung „Let the IDF win“ (Lasst die Israelischen Streitkräfte gewinnen).

„Ja, aber …“, möchte man da sagen. Und fährt von beiden Veranstaltungen etwas ratlos nach Hause. Und denkt: Was bisher fehlt, ist eine Demonstration oder eine Veranstaltung, die sowohl einfacher als auch komplexer ist als die bisherigen Angebote. Einfacher in der Botschaft: Schutz aller Zivilisten, auf beiden Seiten, und Freiheit für die Geiseln. Und komplexer in der Organisation: So würde es sicher helfen, eine Demo auf die Beine zu stellen mit einem Bündnis, das ohne PFLP-nahe Gruppen auskommt oder eine Kundgebung für die Freiheit der Geiseln ohne militärische Maximalforderungen.

Ohne militärstrategische Forderungen

Denn an der Demo am 4. November etwa war das Demokratische Komitee Palästina beteiligt, das zum Umfeld der PFLP-Unterstützergruppen in Deutschland gezählt wird. Wundern und ärgern konnte man sich dort auch über so manche Leerstelle in Bezug auf die Verantwortung der Hamas. Ak­ti­vis­t*in­nen – auch etwa aus dem Umfeld der Proteste im Iran – warnten daher vor einem Schulterschluss zwischen linken und islamistischen Gruppen. Auch hinter der Forderung nach sofortigem Waffenstillstand mögen sich gerade nicht alle versammeln. Es gibt Stimmen, die sagen, dass der Pogrom ja gerade im Waffenstillstand erfolgt sei und ein kompletter Waffenstillstand die Hamas stärken könnte.

Aber vielleicht muss man sich als zivile Person ja gar nicht mit militärstrategischen Forderungen auf die Straße stellen. Vielleicht reicht es auch erstmal, die Position des Friedens und friedlichen Zusammenlebens zu betonen. Also gerade jetzt die Initiativen zu unterstützen, in denen Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und Israelis zusammenarbeiten und weiterhin über Möglichkeiten des Zusammenlebens nachdenken. Gerade jetzt die Verantwortlichen immer wieder darauf zu drängen, endlich abseits von militärischer Logik zu denken und zu handeln.

Links kann nur eine Position sein, die das Wohl aller in den Konflikt verstrickten Menschen an die erste Stelle rückt. Um für Menschenrechte einzustehen, muss man eine „andere Seite“ nicht dämonisieren. Hier in Berlin, wo uns das Echo des Nahost-Konflikts erreicht, geht es doch erst einmal darum, nebeneinander zu stehen, ohne Flaggen. Einander zuzuhören, wenn andere von ihrem Schmerz erzählen. Zusammenzurücken, gegen Gefühle, alleingelassen zu sein oder Ängste, ausgeschlossen zu werden. Und dann gemeinsam die sofortige Sicherheit aller Menschen in Israel und den palästinensischen Gebieten zu fordern. Konsequent.

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4 Kommentare

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  • Der Kommentar drückt ziemlich genau meine Meinung aus, danke!

    Die "Instagram"-Demokratie verführt (mehr noch als früher vielleicht) dazu, zu jedem Thema eine schnelle, definitive Position zu haben.

    Auch, wenn es uns gar nicht betrifft.

    Insbesondere auch, wenn der Sache vielleicht mehr mit Zweifeln und zuhörender Menschlichkeit in beide Richtungen gedient wäre.

  • Nein Frau Schleiermacher, so kompliziert ist das für mich nicht, denn:

    1.Eine palästinasolidarische Demo unter dem Motto „Free Gaza from Hamas“ würde ich auch besuchen, die jetzigen Demos sind aber völlig indiskutabel, denn wenn bei den Anti-Coronamaßnahmen-Demos galt „Demokraten marschieren nicht zusammen mit Rechtsextremisten“ so gilt dies bei den Pro-Pali-Demos jetzt ja wohl erst recht!

    2.Ich habe dagegen kein Problem wenn auf israelsolidarischen Demos ein Sieg der IDF gewünscht wird (wer, bitteschön, soll denn sonst bei den Kampfhandlungen erfolgreich sein, etwa die Hamas?!) und wenn es in Israel breiter Konsens unter der Bevölkerung sein sollte dass es wichtiger ist die Hamas endgültig zu besiegen statt wegen der Geiseln zu weitgehende Zugeständnisse zu machen, so kann ich das auch akzeptieren, denn die Überlebenschancen der Geiseln sind von Tag zu Tag auch immer geringer, bei Angriffen der eigenen Armee ums Leben zu kommen ist womöglich erlösender als weiterhin tagtäglich vergewaltigt und gefoltert zu werden, so unvorstellbar grausam uns dieses Dilemma auch erscheinen mag.

    • @Saile:

      Ich kann bei vielem, was Sie schreiben, mitgehen. Nur das mit dem "womöglich erlösender" für den Tod von Geiseln durch die Angriffe der IDF, das sehe ich nicht. Gar nicht mal deswegen, weil es keine Info zu "tagtäglicher Vergewaltigung" gibt - das ist schon eine Propaganda-Erzählung die ...sagen wir... unplausibel ist. Der Hamas nützen nur lebende Geiseln, in halbwegs gutem Zustand. Und wenn Geiseln in den Tunneln aufgrund der Angriffe sterben, dann wohl meist, weil die Sprengkraft der Spezialmunition die Tunnel schlicht einstürzen lässt und die Geiseln wie unter einer Lawine ersticken. Da gibt es keine Erkenntnis wer das war. Und keinen Augenblick für irgendeinen Trost. Menschen wollen unter den grauenvollsten Umständen fast immer nur eins: überleben. Egal wie und warum.

      • @Monomi:

        Ich will natürlich auch dass die Geiseln so bald wie möglich lebend befreit werden, wollte nur andeuten dass es bei andauernden verlustreichen Kampfhandlungen vor Ort auch zu Entscheidungen kommen kann die wir evtl. moralisch nicht so leicht nachvollziehen können…sicherlich haben Sie aber recht dass die jetzt noch lebenden Geiseln vermutlich recht „wertvolle“ Staatsangehörigkeiten (z.B. us-amerikanisch) haben und daher vergleichsweise gut behandelt werden.