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PortraitDer letzte Schuldige

Muss in Haft, obwohl er schon 95 ist: Oskar Gröning Foto: dpa

Noch ist er frei. Aber gerade hat ein amtsärztliches Gutachten der Staatsanwaltschaft Hannover bestätigt, dass der 95-jährige Oskar Gröning haftfähig ist. Es könnte also sein, dass der frühere SS-Mann, der als „Buchhalter von Auschwitz“ bekannt wurde, bald in Haft muss. Nur wo, ist die Frage, denn die Gutachter setzen voraus, dass Gröning jederzeit ärztlich und pflegerisch betreut werden kann. Und eine Seniorenstation gibt es in keinem niedersächsischen Gefängnis.

Das Landgericht Lüneburg verurteilte Gröning im Juli 2015 wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft. Gröning hatte im Vernichtungslager Auschwitz das Geld deportierter Juden verwaltet und soll auch das Gepäck der Menschen an der sogenannten Rampe überwacht haben. Er wurde verurteilt, ohne dass ihm ein direkter Mord nachgewiesen wurde.

Gröning räumte selbst eine moralische Mitschuld ein und zeigte Reue. „Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte“, sagte er im Prozess. In den vergangenen Jahren hatte sich Gröning, der sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatte, mehrfach in Interviews gegen Holocaust-Leugner gewendet und von seinen Erinnerungen an Auschwitz berichtet.

Im Prozess wirkte Gröning gebrechlich. Pro Tag verhandelte das Gericht daher nur zwei Stunden. In ein besonderes Gefängnis wird er aufgrund seines Gesundheitszustandes aber nicht kommen, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. In Niedersachsen würden ältere Gefangene nicht separiert, um ihnen Kontakte zu erhalten.

Der älteste Gefangene sei 83 Jahre alt, im März waren von den 5.001 Insassen 199 älter als 60 Jahre. Sollte es nötig sein, würden Gefangene von internem oder externem Personal gepflegt. Und einen ärztlichen Dienst habe jede Haftanstalt.

„Ein normaler JVA-Standard reicht für Herrn Gröning nicht aus“, kritisiert jedoch dessen Anwalt, Hans Holtermann. Sein Mandant sei in der Mobilität sehr eingeschränkt. Er fordert, dass das Land die Unterbringung von älteren Gefangenen grundsätzlich überdenkt. „Betagte Gefangene, von denen keine Gefährlichkeit ausgeht, könnten auch in einer Art betreutem Wohnen untergebracht werden.“ rea

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