Portrait Amy Winehouse: Böses Mädchen
Sie hat ein Händchen für eingängige Texte und weiß wovon sie singt. Ihre potentiellen Grammys darf die britische Sängerin Amy Winehouse in L.A. aber nicht abholen.
Amy Winehouse hat fraglos eine tolle Soul-Stimme. Auch hat sie ein Händchen für Texte, die fast so schnell in den Kreislauf des öffentlichen Bewusstseins dringen wie Alkohol ins Blut. Songzeilen wie "They tried to make me go to rehab but I said no, no, no" aus ihrer Single "Rehab" allerdings sind vor allem deshalb so eingängig, weil Amy Winehouse offensichtlich weiß, wovon sie singt. Inhaltlich dreht sich ihr Hit-Album "Back To Black", wie auch ihr Leben, weitgehend um Drogen. Das ist es, was ihrem eher traditionellen Soulpop den kostbaren Nimbus des Authentischen verleiht.
Deshalb ist "Back To Black" für sechs Grammys nominiert, und genau deshalb darf Amy Winehouse auch nicht wie geplant am Sonntag bei der Verleihung der begehrten Musikpreise in Los Angeles auftreten: Die US-Botschaft in London hat dem Star kein Visum erteilt.
Moment mal! Ein Ahmadinedschad darf rein, eine Winehouse aber nicht? Ja, wo sind wir denn? Wir sind in den USA. Ein Visum selbst für eine Stippvisite in den Staaten braucht nun einmal jeder, der dort einer beruflichen Tätigkeit nachgehen will - und sowieso alle "Personen, die an einer schweren übertragbaren oder psychischen Krankheit leiden oder rauschgiftsüchtig sind", wie es in den offiziellen Einreisebestimmungen heißt. Auf Amy Winehouse trifft beides zu: Bei der Grammy-Verleihung wollte die Sängerin singen, und ihre Drogengeschichten sind spätestens seit ihrer Verhaftung wegen Marihuanabesitz im norwegischen Bergen im Oktober 2007 aktenkundig. Und um das Visum überhaupt erst beantragen zu können, hatte Winehouse eigens für ein paar Stunden eine Entzugsklinik verlassen, in die sie wegen ihrer total authentischen Alkohol-, Kokain- und Crackprobleme eingeliefert worden war.
Es ist also alles andere als ein Skandal, dass eine solche Person in den USA nicht willkommen ist. Im Gegenteil wäre es höchst seltsam, hätten die strengen Einreisebehörden bei einer Prominenten mal "ein Auge zugedrückt".
Böse Mädchen kommen halt überall hin, nur nicht in die USA. Mit dieser korrekten Entscheidung ist indes beiden Seiten gedient: den Grammy-Veranstaltern, weil die Verleihung nun ein publikumswirksames Skandälchen produziert hat; und der Skandalnudel Winehouse, deren Auftritt nun halt per Satellit eingespielt wird.
Da steht sie in einer guten Tradition. War nicht auch John Lennon ein ungern gesehener Gast in den USA? Und hingen nicht alle echten Göttinnen des Genres, das sie verkörpert, an der Flasche, wenn nicht an der Nadel? Amy Winehouse bleibt ihren Fans als das erhalten, was sie ist - die beste Sängern der Sechzigerjahre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“